In staatsaktähnlicher Weise soll heute der verstorbene Steuervermeider Franz Beckenbauer verehrt werden. Das öffentliche TV überträgt live. Und sofern Schnee und Eis es nicht vermeiden, wird auch der kommende Bundesligaspieltag davon geprägt – jedenfalls, wenn es nach denen geht, die für die Inszenierung verantwortlich sind. Immerhin gibt und gab es abweichende Stimmen.

Hier zwei aus der taz: Andreas Rüttenauer (“lebenslänglich Bayer, aber bekennender Sechzger-Fan) und Frederic Valin. Die taz war zu diesem Thema auch schon mal leistungsfähiger als heute. Arnd Zeigler/WDR hatte zu diesem Zweck letzten Sonntag extra sein Alter Ego live im Studio.

Besser auf Ballhöhe als die Kranzabwerfer ist mal wieder Christian Streich, der Beckenbauer im übrigen sehr verehrt hat, sich aber öffentlich um Wichtigeres kümmert. Ich hörte ihn heute morgen kurz im DLF. Die FAZ berichtet, sogar mit Safari ohne Paywall, hinten im Sportressort: ‘Wer jetzt nicht aufsteht, hat nichts verstanden’ – Christian Streich ruft den Profifußball in Deutschland und die Fans auf, sich an Demonstrationen gegen Rechtsextremismus zu beteiligen. Auch der Freiburg-Trainer war schon bei einer Kundgebung.” Die Fachpresse dagegen interessiert das nicht.

Medien-Götzen

Warum ist der Fussball gesellschaftlich so relevant? Weil er für die Medien so relevant ist. Sie nennen es gelegentlich “kriegsentscheidend”, und meinen das nicht ironisch. Zuträglicher für die Demokratie wäre es zweifellos, die Medienökonomie liessen ihn als Teil der Alltagskultur einfach in Ruhe. Aber damit ist es seit Erfindung des TV vorbei.

Heute wäre das lineare TV ohne den Fussball zum Tode durch Aussterben verurteilt. Zahlreich nicht nur die Versuche, öffentliches TV endgültig zu killen, von Rechts und von weit Rechts. Sondern auch die hilflosen Versuche der Mitte, es irgendwie künstlich am Leben zu halten. Ein recht dubios nominierter “Zukunftsrat” (seine Vorsitzende war zuvor beruflich Boss von Gruner&Jahr, bevor dieser Verlagskonzern von Bertelsmann rückstandslos liquidiert wurde) hat gestern so einen Versuch vorgelegt, und Annika Schneider/DLF/MDR-Altpapier berichtet seriös darüber. Seriös heisst: mit zahlreichen Links zu Originalquellen, z.B. meiner Gewerkschaft.

Meine Prognose: für die Länderchefs und -chefinnen ist diese Expertise ein Sack Reis, vielleicht auch zwei. Sie kalkulieren, wie gefährlich das für ihre Regierungsmacht ist. Das heisst: der Wind weht von rechts, also gehts in Richtung Schrumpfung, Teilliquidierung, Tod auf Raten. Eine gesellschaftliche Basis, die zur Verteidigung öffentlicher Medien, wie sie sich heute darstellen, bereit und in der Lage wäre, existiert nicht. Es sind auch keine Anstrengungen erkennbar, sowas zu konstituieren. Stattdessen Beten für Beckenbauer,

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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