… das Presseauskunftsrecht?
Früher war es besser – es gab zwar kein ausdrückliches Presseauskunftrecht auf Bundesebene, aber jede Bundesbehörde musste trotzdem wahrheitsgemässe Auskunft geben. Das war auch einklagbar, ganz ohne Bundesgesetz. Denn das Auskunftsrecht war einerseits in Artikel 5 der Grundgesetzes und andererseits im am Sitz der jeweiligen Bundesbehörde geltenden Landespresserecht. Das genügte auch. Jedenfalls bis zum 20. Februar 2013.
Da entschied das Bundesverwaltungsgericht, wahrscheinlich nach vorheriger intensiver Beratung mit gerichtsfremden Personen und Gremien, wie zum Beispiel dem BND, dass man die jeweiligen Landespressegesetze nicht einfach auf Bundesbehörden anwenden könne. Das ist zwar eine seltsame Auffassung von Recht und Gesetz, aber ein oberstes Bundesgericht kann so was offenbar entscheiden. Warum dagegen keine Klage in Karlsruhe möglich war, könnten mir sicher JuristInnen und erklären. Sollten welche diesen Text lesen und Zeit dafür haben, sind sie zur Kommentierung herzlich eingeladen.
Jedenfalls wollte der von mir ob seines Engagements fürs Presserecht hoch geschätzte Chefreporter der Bild-Zeitung, Hans-Wilhelm Saure, erfahren, wie viele alte Nazis beim BND bei Gründung und über die Jahrzehnte hin beschäftigt waren. Darüber mochte der BND nichts sagen. Deshalb klagte der Redakteur und berief sich in dieser Klage auf das Berliner Pressegesetz. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig lehnte die Klage ab und schaffte, sozusagen nebenbei, auch das Presseauskunftsrecht auf Bundesebene ab.
In dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts heißt es: „Die Landespressegesetze begründen keine Auskunftsansprüche der Presse gegen den Bundesnachrichtendienst; deshalb kann der Kläger sein Begehren nicht auf § 4 Abs. 1 BlnPrG (Berliner Pressegesetz) stützen. Die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung derartiger Presseauskünfte liegt beim Bund (a). Solange der Bund von seiner gesetzlichen Regelungskompetenz keinen Gebrauch macht, folgt ein Auskunftsanspruch der Presse unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG…“
Weiter heißt es: „Die Länder können durch ihre Pressegesetze den Bundesnachrichtendienst nicht zu Auskünften gegenüber der Presse verpflichten. Für eine solche Regelung fehlt ihnen die Gesetzgebungskompetenz…“
Plötzlich kein Presseauskunftsrecht mehr
Damit wurde die bisher gepflegte Praxis, bei Anfragen an Bundesbehörden sich auf das jeweilige Landespressegesetz zu beziehen, beendet. Folglich fehlte plötzlich etwas – was zuvor keiner brauchte – ein Presseauskunftsrecht auf Bundesebene.
Als logische Konsequenz legte die SPD-Bundestagsfraktion bereits wenige Wochen nach der mündlichen Verkündigung dieses Urteils im Frühjahr 2013 einen Entwurf eines “Presseauskunftsgesetzes” vor, bestehend aus nur einem Paragraphen, der lautet: „Die Behörden des Bundes sind verpflichtet, den Vertreterinnen und Vertretern der Presse und des Rundfunks zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe Auskünfte zu erteilen.“ In der Begründung verwiesen die SPD-Abgeordneten auf das erwähnte Bundesverwaltungsgerichts-Urteil (6 A 2/12). In den darauf folgenden Monaten wurde der Gesetzesantrag beraten, es gab eine Anhörung, bei der die Journalistengewerkschaft dju/ver.di ebenso wie der DJV und die Verleger dieses Gesetz begrüßten. Doch in der 17. Wahlperiode regierte bekanntlich eine CDU/CSU-FDP-Koalition und die lehnte den SPD-Entwurf ab, ohne aber, wie sonst üblich, einen eigenen Antrag einzubringen. Wen die Historie genauer interessiert – ich habe 2014 darüber in den Nachdenkseiten geschrieben.
In den Folgejahren gab es wechselnde Regierungsmehrheiten, alle mit SPD-Beteiligung. Es gab etliche Aktivitäten, die Journalisten-Gewerkschaften verfassten Briefe und Papiere, doch bis heute gibt es weiterhin kein Presseauskunftsrecht. Was dazu führt, dass beispielsweise das von mir ja besonders geliebte Auswärtige Amt seit 2013 praktisch keine kritische Frage mehr beantwortet. Auch schon vor Annalena Baerbocks Amtsantritt. Das Außenamt verschickt auf detailliert formulierte Fragen irgendwelche Rede-Auszüge oder PR-Texte, oft ohne direkten Bezug zur Frage. Auf Nachfragen kommt auch nicht mehr. Warum auch? Eine Antwort ist seit Feburar 2013 nicht einklagbar.
Nachdem der SPD-Antrag für ein Presseauskunftsgesetz auf Bundesebene von der damaligen CDU/CSU-FdP-Regierung abgelehnt wurde, richtete ich den Text des SPD-Entwurfs wörtlich als Petition erneut an den Bundestag. Auch die Petition wurde abgelehnt. In den Folgejahren gab es immer wieder Appelle der Journalisten-Organisationen und auch Gesetzentwürfe und Absichtserklärungen in Koalitionsvereinbarungen. Über die Jahre hin brachten die heutigen Ampelpartner jeweils eigene Vorschläge ein. Auch in der Koalitionsvereinbarung der Ampel wird ein Presseauskunftsrecht versprochen. Doch bis heute wurde kein Gesetzestext eingebracht.
Zwischenzeitlich – das Spielchen geht immerhin schon über 10 Jahre – gab es immer wieder Ankündigungen, denen zufolge die jeweilige neue Regierungskoaliton fest entschlossen sei, wieder für ein einklagbares Presseinformationsrecht zu sorgen.
Die Deutsche JournalistInnen Union in der Gewerkschaft ver.di und der Deutsche JournalistInnen Verband (DJV) führten zahllose Gespräche mit den jeweilig zuständigen Abgordneten. Auch ich habe solche Korrespondenzen geführt und darüber auch hier berichtet.
10 Jahre ohne Presseauskunftsrecht
So erhielt ich am 28. August 2023 vom medienpolischen Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion, Erhard Grundl, die hoffnungsvolle Nachricht: “Wir befassen uns gerade intensiv mit dem Thema Presseauskunftsrecht und befinden uns im engen Austausch mit den Koalitionspartner*innen dazu, mit dem Ziel, bald ein Presseauskunftsgesetz zu verabschieden.” Auch Thomas Hacker von der FDP erklärte, die im gemeinsamen Koalitionsvertrag vereinbarte Regelung des Presseauskunftrechtes “ist weiterhin ein zentrales medienpolitisches Anliegen. Ein entsprechender Gesetzentwurf wird aktuell erarbeitet und soll noch im Verlauf des Jahres in den BT eingebracht werden.” Doch nichts geschah. Ende August teilte mir der Fraktionsreferent der SPD mit: “Wir haben unseren Gesetzentwurf aus der 17. WP zuletzt an einigen Stellen angepasst. Ein von uns vorgeschlagener Gesprächstermin mit den Koalitionsfraktionen vor der Sommerpause ist dann aus terminlichen Gründen leider nicht zustande kommen. Derzeit befinden wir uns in der Abstimmungsphase für September. Wir setzen alles daran, dieses Thema voranzutreiben.”
Ob Claudia Roth das packt?
Doch das Jahr verging, ohne dass ein solcher Entwurf das Licht der Öffentichkeit erblickt hätte. Stattdessen hieß es Ende 2023, nun werde die “Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien” Claudia Roth einen Entwurf erarbeiten und dem Parlament vorlegen. Das hätte Claudia Roth auch zu Beginn der Wahlperiode machen können. Den Obleuten der Koalitonsfraktionen wurde bisher vom BKM noch nichts verwertbares vorgelegt. Das was bisher kam, so war in Berlin zu erfahren, könne man nicht einmal als Eckpunkte-Papier bezeichnen. In einem Entwurf der Bundesregierung werden alle Bedenkenträger, etwa aus dem BND, dem Auswärtigen Amt, Bundeswehr, MAD, Innenministerium, Verfassungsschutz ihre Handschrift hinterlassen. Ich fürchte, was da heraus kommt, bleibt auf alle Fälle weit hinter dem zurück, was bis 2013 Praxis war. Alle Bundesbehörden mußten Fragen beantworten.
Das es aber bis Ende der Wahlperiode ein Presseauskunftsgesetz geben soll, bestätigte der medienpolitische Sprecher der SPD in einem Telefonat mit mir. Er könne sich aber vorstellen, so Helge Lindh weiter, dass das hinter den Erwartungen und Vorschlägen der Journalistengewerkschaft dju und des DJV zurück bleiben würde. Schließlich bedürfe ein Entwurf der Bundesregierung einer Ressort-Abstimmung.
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