Mit der Machtergreifung der Nazis war die “Gleichschaltung” der Medien ein wesentlicher Schritt des NS-Regimes, seine Macht zu verankern. Propagandaminister Goebbels, zuständig für alle damals bekannten Medien, Film, Rundfunk, Zeitungen und Druckereien regierte “durch”. Das Grundgesetz, das 2024 75 Jahre alt wird, zog daraus Konsequennzen und verankerte den Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit in Artikel 5 Grundgesetz – im Rahmen der Presse- und Strafgesetze. In der Geschichte der Bundesrepublik gab es immer wieder Gefährdungen dieser Pressefreiheit. Auch aktuell stellt sich die Frage, ob das Grundrecht in Gefahr sein könnte.

Es ist keine Frage, dass Antisemitismus und Rassismus nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Rechter und mutwilliger Antisemitismus muss unterbunden, verfolgt und ggf. bestraft werden. Aber ist schon die Kritik an der Politik Israels im aktuellen Gaza-Krieg Antisemitismus? Kann es sein, dass internationale Filmstars, die sich aus eigenem Antrieb zum Gaza-Krieg äußern und in Einklang mit ihren Pressegesetzen z.B. in USA frei fühlen, ihre Meinung zu sagen, die man ja nicht teilen muss, anschließend in Deutschland mit Strafverfolgung rechnen müssen? Es ist ein schmaler Grat zwischen Solidarität mit dem Staat Israel und seinem Existenzrecht, das zu wahren ein Prinzip deutscher Poilitik ist – nicht zuletzt aufgrund unserer historischen Verantwortung. Und einer falschen Solidarität mit einer rechtsextremen, korrupten und in Teilen kriminellen Regierung Israels unter dem berüchtigten Lügner und Roßtäuscher Benjamin Netanjahu.

Hamas als Terroristen klar benennen

Es ist notwendig und richtig, dass in der derzeitigen Diskussion über den Gaza-Krieg, den die Hamas mit einem beispiellosen Massaker begonnen hat, die Verursacher benannt werden. Aber es ist ebenso richtig und legitim, ja menschenrechtlich geboten, Aktionen der israelischen Armee zu hinterfragen, die den Anschein verbreiten, hier werde mit zweierlei Maß von Menschlichkeit gegenüber Zivilpersonen gehandelt. Das infame Prinzip Hamas’scher Strategie ist es leider, sich hinter Zivilpersonen, unter Krankenhäusern und Schulen, Kindergärten und Moscheen zu verschanzen und  den Finger auf den Gegner zu richten, wenn er ihre Partisanenkämpfer und Terroristen dann dort angreift. Das praktiziert nicht nur die Hamas, das kennen wir aus Syrien vom IS wie von Assad, von den Taliban in Afghanistan ebenso wie im Irak. Diese Strategie ist nicht nur Feigheit, es ist tiefe Mißachtung unschuldigen oder unbeteiligten menschlichen Lebens.

Sanktionen müssen schnell und verhältnismäßig sein

Trotzdem ist es falsch, wenn manche Politiker in Deutschland dazu neigen, jedes gegen die israelische Regierungspolitik gerichtete Wort als Antisemitismus umzudeuten und unter Strafe stellen zu wollen. Nicht jeder Jugendliche, der beeinflusst von Internetpropagande “Free Palastine” skandiert und nicht alle, die “vom Fluss zum Meer” hinzufügen, sind damit schon kleine Terroristen. Mit Verboten und Strafen wird man solche Meinungen ohnehin nicht verändern. Das ist etwas anderes, wenn an Hochschulen jüdische Studenten angepöbelt, angegriffen oder Veranstaltungen gestört und per verbaler oder personaler Gewalt verunmöglicht werden.  Hier gilt es, das Strafrecht anzuwenden und vor allem das universitäre Ordnungsrecht, also Hausverbote oder Exmatrikulationen. Klar ist aber auch, dass es einer ganz anderen Schulkultur und Geschichtskunde bedarf, um Jugendlichen den Holocaust und die daraus erwachsene Verantwortung Deutschlands nahezubringen. Und klar zu machen, dass auch für zugewanderte Menschen das “Nie wieder” gilt. Dabei dürfen Schulen und Lehrende allerdings nicht allein gelassen werden.

Skandalisierungsmasche der CDU/CSU

Was aber gar nicht geht, ist die Masche der CDU/CSU, nach der Berlinale wieder die scheinbare Gunst der Stunde zu einem Grünen-Bashing, diesmal ad personam Clsudia Roth zu instrumentalisieren. Im Ernst: Was hätte oder kann denn die Leitung der Berlinale tun, um solche Äußerungen, wie die getane, zu verhindern, ohne sich restlos zu diskreditieren? Soll man etwa Gerorge Clooney, Kate Winslet  oder andere Stars zu einer Erklärung nötigen, dass sie bitte ausgewogen oder besser gar nicht politische Statements machen? Sollen Kulturschaffenden politische Äußerungen verboten werden, wie manche Irregeleitete es fordern? Derartiges erinnert an frühere Methoden des Ostblocks im Rahmen von Olympia oder anderen Festivals. Und auch Repräsentanten jüdischer Organisationen in Deutschland sollten sich gut überlegen, inwieweit sie sich für die rechtsextreme Politik Netanjahus und seiner rerchtsextremen Koalitionspartner  in Anspruch nehmen lassen.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net