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50 Jahre volljährig

Am 22. März 1974, also vor 50 Jahren, wurde § 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geändert und das Volljährigkeitsalter von 21 auf 18 Jahre gesenkt. Nach § 104 BGB erlangt man mit dem Eintritt der Volljährigkeit die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit; zudem endet dann die elterliche Sorge bzw. die Altersvormundschaft. Die Betroffenen sind dann berechtigt, rechtliche Geschäfte selbstständig und ohne Zustimmung der Eltern oder einer Person  abzuschließen, die sie gesetzlich vertritt.

Die meisten Änderungen der Rechte und Pflichten beim Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen sind an die Volljährigkeit geknüpft. Man darf Kreditkarten erwerben, Versicherungen abschließen, ein Testament verfassen, heiraten, zu Hause ausziehen, Organe spenden, sich tätowieren lassen, hochprozentigen Alkohol konsumieren, Glücksspiel betreiben und Pornofilme anschauen. Die Jugendschutzbestimmungen und die Schulpflicht enden. Es gibt aber auch einige Sonderregelungen:

# Die Religionsmündigkeit tritt deutlich eher ein als die Volljährigkeit. Ab Vollendung des 10. Lebensjahres muss ein Kind bei einer Änderung seiner religiösen Zugehörig angehört werden, die Entscheidung liegt bei den Eltern. Ab Vollendung des zwölften Lebensjahres darf ein Kind nicht mehr gegen seinen Willen in ein anderes Bekenntnis wechseln. Mit vierzehn Jahren ist ein Kind uneingeschränkt religionsmündig.

# Den Führerschein darf man schon mit 17 Jahren erwerben. Bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres darf man allerdings nur in Begleitung einer erfahrenen Person ans Steuer.

# Die ab dem 18. Geburtstag geltende Wehrpflicht gemäß Art. 12a des Grundgesetzes wurde 2011 ausgesetzt. Den seitdem angebotenen freiwilligen Wehrdienst kann man ab 17 Jahren antreten.

# Die Vormundschaft über ihre Kinder erhalten minderjährige Eltern erst mit ihrer Volljährigkeit. Ist nur ein Elternteil volljährig, so liegt sie bei ihm. Sind beide Elternteile minderjährig, wird vom Familiengericht ein gesetzlicher Vormund eingesetzt. Wird ein Elternteil volljährig, so übt dieses von da an das alleinige elterliche Sorgerecht aus, bis auch der zweite Elternteil volljährig wird. Bei einer unverheirateten minderjährigen Mutter erhält das Kind bis zu deren Volljährigkeit einen Vormund.

# Die Wahl der Schulform und ein eventueller Wechsel bedürfen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres der Zustimmung der Eltern. Kinder und Jugendliche haben das Recht, sich in allen Angelegenheiten der Erziehung und Entwicklung an das Jugendamt zu wenden. Dort haben sie Anspruch auf Beratung ohne Kenntnis der Erziehungsberechtigten.

# Heiraten darf man ab dem 18. Geburtstag. Die frühere Regelung, wonach dies mit Genehmigung des Familiengerichts auch schon ab 16 zulässig war, wurde 2017 gestrichen.

# Im Strafrecht gelten Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres als schuldunfähig. Es wird unterstellt, dass sie solange nicht in der Lage sind, das Unrecht einer Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Sie können somit nicht bestraft werden. Das Familiengericht kann jedoch außerhalb des Strafverfahrens bestimmte Maßnahmen anordnen. – Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren sind individuell strafrechtlich verantwortlich, wenn sie zum Tatzeitpunkt sittlich und geistig reif genug waren, das Unrecht der Tat einzusehen und danach zu handeln. – Auch Heranwachsende (18 bis unter 21) können nach Jugendstrafrecht bestraft werden,  wenn sie zur Zeit der Tat in ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstanden oder es sich nach der Art, den Umständen oder Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt

# Bereits 1970 war das Wahlalter zum Bundestag geändert und von 21 auf 18 Jahre gesenkt worden. Hierfür bedurfte es einer Änderung von Artikel 38 des Grundgesetzes. Für die Europawahlen wurde das Mindestalter im November 2022 von 18 auf 16 Jahre gesenkt. Bei den Landtags- und den Kommunalwahlen sind die Länder zuständig. So gilt in sechs Ländern ein Mindestalter von 16 und in zehn Ländern von 18 Jahren. Bei den Kommunalwahlen wird neunmal ein Alter von 16 und fünfmal von 18 verlangt (Bremen und Hamburg kennen keine Kommunalwahlen). Bei Elementen der direkten Demokratie wie Volksbegehren und Bürgerentscheid sind Personen ab 16 Jahren stimmberechtigt.

Jede/r volljährige Deutsche hat nicht nur das Recht zu wählen (aktives Wahlrecht), sondern auch das Recht, sich wählen zu lassen (passives Wahlrecht). Hier ist die Sachlage weitaus übersichtlicher: Das notwendige Alter beträgt beim Bundestag, bei den Landtagen und auf kommunaler Ebene einheitlich 18 Jahre. Nur in Hessen liegt das Mindestalter für die Landtagswahl bei 21. Für das passive Wahlrecht zum Europaparlament gelten in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Bedingungen. Das Mindestalter – so auch in Deutschland – liegt zumeist bei 18 Jahren, in zehn Staaten gelten 21 Jahre, Rumänien verlangt 23 Jahre und Italien sowie Griechenland erwarten 25 Jahre. 

„Wir wollen das Grundgesetz ändern, um das aktive Wahlalter für die Wahl zum Deut­schen Bundestag auf 16 Jahre zu senken“, so steht es im Koalitionsvertrag. Offenbar ein Anliegen von Grünen und FDP, weil sie bei jungen Leuten überdurchschnittlich gut ab­schneiden. Bei der letzten Bundestagswahl erhielten die Grünen bei den Wähler/innen unter 25 Jahre 23 % der Stimmen (Durchschnitt 14,8 %), die FDP 21 % (Durchschnitt 11,5 %). Während dies Ergebnis der Grünen zu erwarten war, kam es bei der FDP eher überra­schend.

Gesetzesinitiativen zu dieser Absicht liegen noch nicht vor, jedoch haben die Bundestagsfraktionen bereits Position bezogen. Vertreterinnen von SPD und Grünen plädierten generell für ein Wahlalter von 16 Jahren und wiesen darauf hin, dass dies bei den Europawahlen und bei mehreren Landtagen bereits gilt. Jungen Menschen solle mehr Verantwortung zugetraut werden. Ein FDP-Sprecher sprach sich für die Koppelung von Volljährigkeit und Wahlrecht aus. Ähnlich argumentierte die Union: Wer laut Gesetz noch nicht geschäftsfähig ist, sollte auch nicht über die Geschicke unseres Landes mitentscheiden.

Eine aktuelle Umfrage ergab, dass junge Menschen einer Senkung des Wahlalters sehr positiv gegenüberstehen. 64 % halten dies für sinnvoll, verständlicherweise vor allem die betroffenen Jahrgänge. Je älter die Befragten sind, umso geringer ist die Befürwortung. Bei Personen im Alter ab 60 lag sie nur noch bei 38 %. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Wahlalter herabgesetzt wird, ist indes gering. Dies bedarf einer Änderung des Grundgesetzes und damit der Zustimmung der Union. Deren Meinung, dass man Wahlalter und Volljährigkeit koppeln und Heranwachsenden, die noch nicht die volle Geschäftsfähigkeit haben, auch nicht das Wahlrecht zum Bundestag geben soll, ist nicht abwegig. Zudem haben Umfragen gezeigt, dass die Kenntnisse junger Menschen von unserem Wahlrecht lückenhaft sind.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts trat der Beginn der Volljährigkeit in den meisten Gliedstaaten Deutschlands erst mit 25 Jahren ein. Erst nach 1850 gab es Änderungen. So reduzierte Preußen 1869 das Alter von 24 auf 21 Jahre. Im Deutschen Reich wurde diese Grenze einheitlich festgelegt. Das Bürgerliche Gesetzbuch vom 1.1.1900 übernahm diese Regelung, ergänzt durch die Möglichkeit, die Volljährigkeit bei Vorligen bestimmter Voraussetzungen schon ab 18 Jahren zu gewähren.

Eine staatenübergreifende Regelung der Volljährigkeit gibt es nicht. Das New Yorker Übereinkommen über die Rechte der Kinder“ von 1989 gibt die Vollendung des 18. Lebensjahres vor, sofern nicht national niedrigere Grenzen gelten. Die meisten Staaten verlangen daher ein Mindestalter von 18 Jahren, z.B. Frankreich seit 1974 (vorher 21 Jahre), Italien seit 1975 (vorher 21), Österreich seit 2001 (vorher 19, vor 1973 21), Schweiz seit 1996 (vorher 20), Großbritannien (seit 1967, in Schottland 16 Jahre) und die DDR (bereits ab 1950 !). 

In mehreren Staaten gibt es besondere Vorgaben. In den USA praktizieren fast alle Staaten ein Mindestalter von 18, drei liegen bei 21 und zwei bei 19. Sechs Staaten koppeln die Volljährigkeit an den Besuch einer High-School: In vier Staaten tritt die Volljährigkeit erst nach dem Hochschulabschluss ein, in zwei Staaten mit dem 19. Lebensjahr. – In Russland gelten 18 Jahre, doch kann im Falle der Heirat die Volljährigkeit bereits ab 16 beantragt werden. – In den Niederlanden wird man zum Zeitpunkt der Volljährigkeit (18 Jahre) automatisch als Organspender registriert.

 In den 60er Jahren erforschte ein Komitee in Großbritannien, wieso Englands und Westeuropas Jugendliche lange Zeit ausgerechnet mit 21 Jahren mündig wurden. Das Ergebnis war, dass wahrscheinlich vom 11. Jahrhundert an das Gewicht der Ritterrüstung immer schwerer wurde, so dass Englands Staatsgrundgesetz, die Magna Charta von 1215, den Beginn des Ritterdienstes auf 21 Jahre festlegte. Bis dahin war die Mittelalter-Jugend mit 15 volljährig geworden.

Reminiszenz:

Zum Jahreswechsel 1974/75 war ich auf einer Silvesterparty. Um 0.00 Uhr feierten einige junge Leute besonders kräftig. Es waren die 18-, 19- und 20-Jährigen. Sie waren gerade volljährig geworden und durften nun so lange feiern, wie sie wollten.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.

Ein Kommentar

  1. Martin Böttger

    “Zudem haben Umfragen gezeigt, dass die Kenntnisse junger Menschen von unserem Wahlrecht lückenhaft sind.”
    Was haben diese Umfragen – sie sind mir nicht bekannt – denn über die Kenntnisse der Älteren von unserem Wahlrecht herausgefunden? Ich unterstelle: die wurden nicht abgefragt. Die Ergebnisse könnten die Bevölkerung verunsichern …

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