Hannes Nebelung/Bayrischer Rundfunk filosofiert als Betroffener: “Der FC Bayern und die Medien: Es ist kompliziert – Beim FC Bayern ist immer etwas los. Der gemeine Fußball-Fan erfreut sich am Entertainment, währenddessen schwelt im Hintergrund ein komplizierter Konflikt. Der Rekordmeister kämpft mit den Medien um die Deutungshoheit im deutschen Fußball.” So ähnlich ist es im Prinzip an allen 18 Bundesligastandorten. In München ist nur alles grösser. Auch die Probleme.
Da ist zum Einen der Systemwiderspruch zwischen den Aufgaben der Journalist*inn*en und den Fussballlehrern. Erstere brauchen tägliche Neuigkeiten, Letztere Ruhe beim Aufbau eines leistungsfähigen Kollektivs junger – konkurrierender! – Millionäre. Vereins-/Konzernführungen träumen seitdem vom System Jürgen Klopp. Das ist eine attraktive Mediennase, der jedem, mit dem er spricht, das Gefühl vermittelt, er sei ein guter Kumpel von ihm, und er würde bei Gelegenheit ganz bestimmt noch mit ihm einen Trinken gehen. Mit traumhaftem Talent haut der Kerl täglich ein boulevardtaugliches Zitat raus, das von den Innereien von Team und Verein wirkungsvoll ablenkt. Dumm nur, dass das in der Fussball- und Trainingslehre noch nicht gelehrt wird. Für ihn selbst zahlt es sich durch zahllose Werbeverträge aus; für Training hat er seine Leute.
Weil die Klopps nicht auf den Böumen wachsen, müssen alle Vereine, je grösser umso fetter, eigene PR-Abteilungen betreiben, die jede für sich grösser ist, als irgendeine Lokalredaktion irgendeines Mediums: PR-Übermacht gegen unabhängigen Journalismus – wie im richtigen Leben von Konzernen oder Politik. Viele Medien behelfen sich dagegen mit “Rechercheverbünden” und internationalen Kooperationen. Aber nicht beim Fussball.
Der traditionelle Reporter sieht sich vielfach missachtet. Seine Politikkollegen halten das Sportgedöns für eine Sache für die Volontäre (die vom Feuilleton sowieso). Ihm droht als Erstem die Ablösung durch Künstliche Idiotie (KI). Dabei wird er in Wahrheit mehr gelesen als die andern (vor allem montags). Aber die aufgeblasenen PR-Abteilungen der Konzernvereine finden ihn ebenfalls eher lästig, denn als Kumpel oder Kollegen. Denn sie müssen sich ja mit den wichtigen Medien beschäftigen: ihren eigenen Kanälen auf den asozialen Netzwerken. Hier werden die zählbaren Umsätze gemacht. Der Fussball als Avantgarde der Medienentwicklung. Dass ich in diesem Absatz nur die männliche Form verwende, ist alte Gewohnheit. Die Frauen dringen nur langsam ein, vorzugsweise vor den TV-Kameras, wo sie so unnatürlich gut aussehen, weil sie immer noch von heterosexuellen Männern gecastet werden. Immerhin dringt der Frauenfussball – mehr beim Publikum, als beim Kapital – vor, und mit ihm qualifizierte Kommentatorinnen.
Wir wird es weitergehen? Mein Vorschlag: die bestehenden Informationsfreiheitsgesetze werden dahin präzisiert, dass “gemeinnützige” Vereine ebenso wie öffentliche Einrichtungen und Institutionen dazu verpflichtet werden, sich journalistischer Berichterstattung zu stellen, Auskunft zu erteilen und Zugang zu allen Veranstaltungen zu gewähren. D.h. zusammenfassende Berichterstattung statt zur Ware (wie die Live-Berichterstattung) zum Recht der Öffentlichkeit zu machen. Das europagesetzlich bestehende Recht auf Kurzberichterstattung ist hierzulande kaum bekannt, weil es kein Medium nutzt. Sie wollen keinen Ärger mit den Vereinen, sondern als (eingebetteter) Kumpel behandelt werden. Das ist journalistisch so abwegig, wie es die weit verbreitete Produktpräsentation (inkl. Sponsorenwerbung krimineller Wettveranstalter) bei ARD und ZDF ist. Das Recht sollte ausgedehnt werden auf jegliche Art von journalistischer Nachberichterstattung. Und prompt würde das öffentliche TV für alle billiger.
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