Nun wird Gerhard Schröder die Achtzig vollenden,

da möcht’ ich ihm gern ein paar Grußworte senden.

Ich rede sehr gerne und gerne recht lange

und bin auch vor keiner Problemstellung bange.

 

Mein Angebot wurde erfreut angenommen,

ich soll zu der Feier als Ehrengast kommen.

Im Kreise der Kumpel, da soll ich es wagen,

mein kunstvoll erdachtes Gedicht vorzutragen.

 

Nur eins hat man mir dann noch mitteilen lassen:

ich solle mich kurz und verständnisvoll fassen.

Drum nimmt meine Rede ab jetzt ihren Lauf

und hört nach zehn Zeilen sogleich wieder auf.

 

Bald ist schon das Ende der Rede gekommen.

Ich sehe es nahen, wenn auch nur verschwommen.

Die Zeit ist jetzt um und ich muss mich wohl sputen,

mir bleiben noch nicht einmal zwei, drei Minuten.

Ich hab Euch bisher – mal ganz locker gezählt –

mit zweihundert Worten genügend gequält.

 

Ich glaube, ich hab Euch bereits überfordert,

und hoffe, Ihr habt Euch Getränke geordert.

Womöglich erkundigt sich manch kluger Kopf,

schon jetzt nach dem Redezeitausschaltungsknopf.

 

Die Uhr zeigt es deutlich, ich muss mich beeilen.

Drum streiche ich gerne die restlichen Zeilen.

Weil endlose Reden, das kann man oft sehen,

zur Güte des Inhalts im Widerspruch stehen.

Mir sagt mein Instinkt, komm jetzt endlich zum Schluss,

erspare den Leuten den weiteren Stuss.

 

Ich reiß mich zusammen, hör auf, hier zu sprechen,

ich habe schon Angst, dass die Gäste sich rächen.

Ich bitt’ um Verzeihung und Nachsicht und Gnade 

für meine fast endlose Wörtertirade.

 

Drum sag ich’s erneut, diese Rede muss enden,

damit wir nicht weitere Zeit hier verschwenden.

Gewiss hat das Leben, so lang es schon währt,

Euch manch überzogene Rede beschert.

 

Zwar geht dann bekanntlich die Welt nicht gleich unter,

doch macht es gewiss weder lustig noch munter.

 

Bevor Ihr beginnt, mich von hier zu vertreiben,

da lasse ich lieber die Rederei bleiben.

Ich muss die rhetorischen Waffen wohl strecken,

sonst wird es ein Ende mit Grausen und Schrecken.

 

Genügend geredet, mein Hals ist ganz trocken,

da kommt meine Rede ganz sicher ins Stocken.

Ich bin voll erschöpft, meine Spannkraft ist hin.

drum fehlt meiner Rede Methode und Sinn.

 

Ich muss es gestehen, mir fällt nichts mehr ein,

und nochmal dasselbe, das darf doch nicht sein.

Auch hab‘ ich inzwischen das Thema vergessen, 

obwohl ich so lang an der Rede gesessen.

 

Ich krieg jetzt die Kurve, ich gebe jetzt Ruh‘.

Es hört sowieso schon fast keiner mehr zu.

Jetzt muss ich mich wirklich wohl erst mal erholen,

so hat es mein Arzt mir beim Reden empfohlen.

 

Mir brummt schon der Kopf, es ist alles gesagt,

die Worte verschwimmen, das Sprachzentrum klagt.

Die Knie werden weich, und der Blutdruck, der steigt,

die Schweißperlen rinnen, die Stimme, sie streikt.

Und sollt ich ermattet zu Boden gar sinken,

dann gebt mir am besten ein Bierchen zu trinken.

 

Die Zeit, die vergeht, und das Ende ist nah,

der Redner ist eigentlich gar nicht mehr da.

Ich werde – versprech ich – ab jetzt wirklich schweigen

und mich nur noch einmal vor Ihnen verneigen.

 

Ich suche den Schlusspunkt, den will ich nun setzen,

statt holpernd von These zu These zu hetzen.

Ein einziges Wort noch, ein einziger Blick,

dann zieh ich mich unwiderruflich zurück.

Und sollt diese Rede dann wirklich mal enden,

dann dürft Ihr ein klein bisschen Beifall mir spenden.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.