Tote Kunst und ein Verstorbener mit Kunstverstand
Leute gibt es, selbst heute noch, die Berlin für “hip” halten. Dagegen war ich lebenslang immun, vor und nach 1990. Über das Treiben eines gewissen Smerling, der sich hier wie dort leider besser auskennt, als die meisten dummen Kommunalpolitiker*innen, haben wir hier mehrmals berichtet. Nun gibt es einen – vorsichtig geschätzt – um ein paar Jahrzehnte verspäteten Appell einer Leidtragenden. Laura Ewert/Berliner Zeitung: “Aufruf ans Berliner Kultur-Prekariat: Geht in den Streik und verlasst Berlin! – Berlin gilt als teuer, aber sexy. Aber wie lange noch? Diejenigen, die Berlin hip gemacht haben, können sich kaum etwas leisten. Zeit für Protest!” Fehlt nur noch, dass die das auch digital einmauern.
Frau Ewerts Appell fusst auf einem Missverständnis: die Abhängigkeit zwischen Kunst und Kapital ist genau umgekehrt. Kunst ist Objekt, Kapital Subjekt. Kunst ist für das Kapital von Interesse, weil sie ein Instrument ist: in erster Linie als Beginn und erster Schritt eines lukrativen Gentrifizierungsprozesses. Wenn die Gentrifizierung vollbracht ist, gibt es zweifellos Menschen, die weiter an ihr interessiert sind, ob nun als Anlageobjekt oder auch zur Distinktion, aber für das Kapital als Organisation des Kapitalismus hat sie ihren Zweck erfüllt.
Hier in Beuel sind wir leider in weiten Bereichen genauso weit wie in Berlin, jedenfalls was die Preise für Grund und Boden sowie die meisten Gebäude, die darauf stehen, sowie das Treiben der Immobilienhaie, kleine und grosse, betrifft. Ich könnte aus eigener Kenntnis noch Essen-Altenessen mit seiner schon mehrmals lebensgefährdeten Zeche Carl und das benachbarte von Einzelhandel weitgehend und Gastronomie komplett befreite Essen-Karnap (mit den Nachbarbezirken Gelsenkirchen-Horst und Gladbeck-Brauck) vorschlagen. Dort kann mensch echte AfD-Wähler*innen treffen und von was Besserem überzeugen. Wenn Sie allerdings in Essen-Rüttenscheid landen, weil es Ihnen dort besser gefällt, dann haben sie sich komplett verfahren.
Ein Fussballgott auf Erden ist verstorben
Wie gut, dass der Arme das nicht mehr lesen muss, was nun über ihn geschrieben wird – “Schöngeist” etc. Der Mann, César Luis Menotti, war Fussballlehrer, und, neben dem heiligen Hennes, einer der Besten der Welt. Unser Autor André Dahlmeyer war ihm persönlich begegnet, und ähnlich erleuchtet, wie ich, als mir Hans Schäfer persönlich vorgestellt wurde: “krass, dass ich in dem text einmal indirekt und einmal direkt menotti erwaehnt habe. heute ist er gestorben. er hat mir frueher viel geholfen, mit kontakten usw., wir haben heiss diskutiert. er war gluehender independiente-fan, wie ich.”
Einer, der über Menotti kompetent zu schreiben weiss, ist in der SZ digital eingemauert, ihr Fussballfachmann Javier Cáceres. In seinem Teaser heisst es zutreffend: “Verführer des Fußballs – Er trainierte Maradona und verehrte Pelé, liebte aber auch Che Guevara, den Tango, die Literatur und den deutschen Fußball. Nun ist Argentiniens Weltmeistertrainer César Luis Menotti im Alter von 85 Jahren gestorben.”
Ich verneige mich und schweige.
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