Der genialste Komiker und Filmstar der 50er Jahre, Heinz Erhardt, hat in vielen Filmen, wie “Der Haustyrann” und “Immer die Autofahrer”, viele Jahrzehnte vor Trump dessen despotischen Charakter herausgearbeitet und karikiert. Bei seinen Figuren – ob verbitterter Cafebesitzer oder besserwisserischer Verkehrspolizist-, immer patriarchale Despoten, die niemals lachen, außer höhnisch und aus Boshaftigkeit. Sie sind immer im Krieg mit allen – selbst Familie und Freunde müssen darunter leiden. Der wesentliche Unterschied zu Trump und Kim Jong Un, Putin und Bolsonaro, Orban und Kaczyński: der 50er Jahre Schauspieler brach seine Charaktere durch kleine Schwächen und die späte Läuterung im Happyend. Er lächelte dann am Ende immer.
Was Heinz Erhardt gekonnt karikierte, war der Mann der formal, aber noch nicht kulturell beendeten NS-Ära. Der sein Männerbild in die junge Bundesrepublik hinüberzuretten versuchte – und häufig das männliche Rollenbild der 50er und auch noch 60er Jahre prägte. Gewalt gegen Frauen und Kinder, Homophobie, christlich-moralisierendes Heuchlertum, Hass gegen Minderheiten, Intoleranz und latenter Antisemitismus prägten seinen Alltag. Kinder, Küche, Kirche für die Frauen und Antikommunismus für die Regierung. Das ist genau das Männerbild, das Trump verkörpert und zu dem seine Anhänger*innen zurück wollen. Joe Biden war dagegen kein wirklicher Antipode – ein erfahrener, sozial bewusster, alter weisser Demokrat mit vielfältigen Verdiensten, der eine prosperierende Wirtschaft geschaffen und den internationalen Ruf der USA vorangebracht hat. Verwundbar im Menschenbild, zu überwinden nur mit Lug und Trug und Verunglimpfungen durch Trump. Als ehrenwerter, aber gesundheitlich angeschlagener Präsident ein ideales Opfer für Trumps infame Strategie der grenzenlosen, amoralischen und allgegenwärtigen Lüge, die nur seine Anhänger hören wollen und derer viele sind.
Weibliches Lächeln ist eine Machtgeste
Deswegen ist das weibliche Lächeln der Kamala Harris für ihn der kulturelle Supergau. Denn auch lächelnde Frauen in der Politik sind selten. Es sei denn, sie sind wirklich etabliert und souverän. Margret Thatcher lächelte nie, Golda Meir und Indira Ghandi selten. Merkel und Madelaine Albright schon wesentlich öfter. Hillary Clinton hatte ein Spezialproblem. Sie lachte, solange sie in der Öffentlichkeit stand, eigentlich nie, nicht zuletzt aufgrund der Affären ihres Mannes Bill, die sie tapfer ertrug. Berichterstattungen über Finanzaffairen, die beide Clintons betrafen, und die bis heute dubiose Rolle der “Clinton-Stiftung”, die während ihrer Zeit als Außenministerin Millionenspenden bei ukrainischen Oligarchen einsammelte. Als sie Außenministerin wurde und Kandidatin für Obamas Nachfolge, merkte sie, dass sie eigentlich nichts mehr zu lachen hatte. Die Folge war das unglaubwürdigste, auf die meisten Betrachter*innen verlogen wirkende Lächeln. Hillary`s Lachen, das ihr im Wahlkampf gegen Trump niemand mehr abnahm. Das wird Trump niemals mehr passieren.
Warum Trump über sein Ende so wütend ist
Am genialsten von allen Politikerinnen jahrelang wenig bemerkt: Malu Dreyer. In der Ahrtalkatastrophe hat sie im Gegensatz zu einem Kanzlerkandidaten nicht gelacht – aber während ihrer gesamten Amtszeit als Ministerpräsidentin und während ihrer Rolle als Übergangsvorständin der Bundes-SPD lächelte Malu Dreyer ein Strahlen, dessen Persönlichkeit von innen heraus kam. Mit allen Fehlern, trotz und wegen ihrer schwerer Erkrankung – viele wünschten sich mehr von ihr. Sie wäre eine ideale SPD-Parteivorsitzende geworden. Selbst in ihrer Rücktrittsrede bezauberte sie noch alle Zuschauenden. An der richtigen Stelle glaubwürdig lächelnde (Meloni kanns nicht, von der Leyen nimmt man es nicht ab) Politikerinnen, die an der richtigen Stelle lachen, sind entwaffnend, das Gegengift zu Donald Trumps Zerstörungswahn, Gnadenlosigkeit und selbstzerstörerischen Machtphantasie.
Wahn, Zerstörungswut und asoziales Verhalten können zerrütten
Boshaftigkeit und Einschüchterung, Lüge und Betrug, Drohung und Verunglimpfung sind die Methoden seiner “modernen” Politik. Joe Biden hat dagegen angeredet, erklärt als Politiker mit herkömmlichen Vorstellungen von Ehrlichkeit und Wahrheit – bis er Wortfindungsprobleme bekam. Wären sie nicht Präsident und Ex-Präsident, sondern Nachbarn, wie Donald Duck und sein Nachbar Schundnickel, der ältere von beiden hätte vielleicht auch Wortfindungsstörungen allein aufgrund des Nachbarschaftskrieges bekommen. Dieser Mechanismus, das spürt Donald Trump, wird bei Kamala Harris nicht funktionieren. Sie muss eigentlich nur keine größeren Fehler machen und viel lächeln, und sie wird seinen miesen Charakter besiegen. Sie kann seinem archaischen, lügenden Affen ein intelligentes und menschliches Antlitz entgegensetzen.
Trump wird monatelang vor der eigenen Implosion stehen
Er weiss das und deshalb bezeichnet er sie als verrückt – “Nuts”. Aber auch damit schießt er ein Eigentor. Ist “Nuts” doch der Titel eines emanzipierten Films der 80er Jahre mit der Ikone Barbara Streisand und Carl Malden über eine vergewaltigte Prostituierte, die sich erfolgreich gegen ihren Peiniger wehrt – der ziemlich genau dem Männerprofil von Donald Trump entspricht. Nein, Kamala Harris ist entgegen der Skepsis mancher Publizist*inn*en eine geradezu ideale Besetzung, um Trump als Scheinriesen Turtur (Michael Ende) zu entzaubern. Macht sie keine schweren Fehler und findet sie einen konservativen, proletarisch verlinkten weißen Demokraten als Vizepräsidenten, könnte sie unschlagbar sein. Ob sie nur so weit vorne liegt, weil niemand in der demokratischen Partei sich antun will, an einer Niederlage gegen Trump schuld zu sein, weil er/sie gegen Harris kandidierte oder das Parteiestablishment ein Interesse daran hat, keinen “offenen Parteitag” mit drei oder mehr Kandidat*innen zuzulassen, ist schlichtweg irrelevant.
Diesmal geht es noch um die Macht im herkömmlichen System
“Et ess wie et ess”- die kölsche Weisheit gilt auch in Washington D.C.. Scheißegal, warum und wie sich alle hinter Harris versammeln und wie hoch der individuelle Opportunismusindex sein mag. Sie tun es und es ist die einzige Chance für das Land USA und leider auch und für die ganze westliche Staatengemeinschaft, den Despoten Trump endgültig ins Nirvana zu schicken und damit Schaden von den Demokratien weltweit abzuwenden. Danach ist der Kampf um die Demokratie nicht beendet, aber es wäre ein wichtiger Etappensieg. Was aber auch immer klarer wird: die Demokratien des Planeten müssen eine Bestandsaufnahme machen. Die freie Presse, öffentlich-rechtliche Medien, (a)soziale Netzwerke, eine regulierbares Internet als Basis einer wie auch immer gearteten demokratischen Öffentlichkeit sind Schlüsselfragen an die Demokratien weltweit.
“Ob sie nur so weit vorne liegt, weil niemand in der demokratischen Partei sich antun will, an einer Niederlage gegen Trump schuld zu sein, weil er/sie gegen Harris kandidierte oder das Parteiestablishment ein Interesse daran hat, keinen ‘offenen Parteitag’ mit drei oder mehr Kandidat*innen zuzulassen, ist schlichtweg irrelevant.”
Das halte ich für einen falschen Schluss. Tatsächlich wird die Führung der Demokraten einen “offenen Parteitag” verhindern, weil sie nicht zu Unrecht fürchtet, daran zerbrechen zu können. Dass die französische Linke sich z.B. noch auf eine Regierungschefin-Kandidatin einigen konnte, gleicht einer Sensation, die selbst den dortigen Staatspräsidenten verblüfft. Denn strukturell ist es in den kapitalistischen Gesellschaften so “geregelt”, dass sich Liberale und Linke auf gar nichts mehr einigen können.
Entscheidend im Kampf gegen Trump wird nicht das Lächeln sein, sondern welche politische Botschaft die Kandidatin damit aussendet. Diese entscheidet dann über die Mobilisierungskraft. Es kommt nicht mehr auf eine publizistisch konstruierte und imaginierte “Mitte” an, sondern auf die Zahl derer, die Wählen gehen. Und in den USA auf die Wählenden in den wenigen “Swing States”.
Die, die sich Strategien wie das “Micro Targeting” ausdenken, wissen davon.
Mir gefällt Dein Optimismus in Sachen Kamala, lieber Roland – und ich wünsche mir, dass es so kommt, wie von Dir angedacht. Gut jetzt als erster Schritt die interne Mobilisierung bei den Demokraten. Die können dann andere im Land mobilisieren, zweiter Schritt. Hopefully.
Danke, Reinhard, dass Du auch so denkst – halten Wir die Daumen!