Wie kann es sein, dass autoritäre Politikmodelle und -muster so erfolgreich sind? Teil der Antwort: ihre Intelligenz ist es eher nicht. Weiterer Teil der Antwort: es liegt am Intelligenzmangel liberaler, sozialistischer, kommunistischer oder wie auch immer progressiver Politikstrategien und ihrer hanebüchenen Leerstellen. Die zentrale Leerstelle hierzulande ist: die Mehrheit der Menschen, und das ist kein deutscher Sonderweg, sondern ein humanistisches Prinzip, lehnt Krieg als Mittel der Politik – eher pragmatisch oder fundamental – ab. Wer für diese Haltung kein strategisches und realpolitisches Angebot macht, kann für eine Linke links von der Mitte nicht und nichts gewinnen. Ein Rätsel unserer Tage ist: wie lange brauchen die, um das zu begreifen?

Die US-Demokraten haben der Weltöffentlichkeit soeben ein Beispiel für eine besonders lange Leitung präsentiert. Dort steht “It’s The Economy, stupid!” auf der Leitung, über die potenziell strategische Intelligenz reinlaufen könnte. Hier ein Bericht von Innen: Norman Solomon/TomDispatch/overton: Die Kultur der Loyalität in der Demokratischen Partei – Wie ein Ethos der Konformität das Biden-Debakel ermöglichte.” Mir war nicht entgangen, dass die Linke in Partei und Parlament mit Biden einen Deal geschlossen hatte. Ich kenne seine Inhalte nicht, und kann das deswegen nicht beurteilen. Die zitierten öffentlichen Äusserungen von Sanders und Ocasio-Cortez, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit von ihrem internen Agieren unterscheiden, weisen leider aus, dass sie sich von der Parteiführung Knoten in die Beine haben spielen lassen, wie bei der EM Italien gegen Nico Williams jr. Eine erfolgreiche Mobilisierung gegen Trump wäre so ausgeschlossen gewesen.

Ähnlich krank wie die US-Demokraten: die Mozilla-Stiftung (“Firefox”), die offenbar zum Begreifen des Schadens, den sie dem Branding ihrer Marke zugunsten von Cashflow zufügt, gar nicht (mehr?) in der Lage ist.

Und hier? Ein grundvernünftiger Beitrag des Kollegen Fabian Scheidler, dem ich vor einigen Jahren schon Veröffentlichung seiner klugen Texte angeboten habe, wurde von der Berliner Zeitung flugs eingemauert: “Die EU sollte auf Diplomatie und Kooperation statt auf Konfrontation setzen – Wie die Verweigerung von Diplomatie Europa in eine Abwärtsspirale aus Militarismus, ökonomischem Niedergang und politischem Chaos treibt. Ein Gastbeitrag.” Es gibt für Firefox-Browser, die auf Linux laufen, Bohrer gegen diesen publizistischen Schwachsinn. Wie viele verfügen wohl darüber? Für die Anderen bleibt nur Almut Rochowanski.

Der gelegentlich quartalsirre IT-Milliardär und Verleger der Berliner Zeitung Holger Friedrich steht dagegen am Samstagmittag noch paywallfrei:Medienkonferenz in Aserbaidschan: Warum der Austausch so wichtig ist – In Shusha organisierte das Präsidialamt Aserbaidschans eine Medienkonferenz. Es trafen Vertreter aus West und Ost aufeinander und übten den Dialog.” Seine bedenkenlose Reisediplomatie zum mörderischen Alijew-Regime illustriert in beängstigender Radikalität, wie die Strategie von Nato und EU derartigen Verbrechern die Freiräume schafft, um sich mannigfache politische und ökonomische Vorteile zu sichern – Erdogan, Modi, Xi Jinping, eine endlose Reihe …

Anders als der Milliardär aus Berlin schafft es der von mir sehr geschätzte und mit weit prekärerem Einkommen ausgestattete Kollege Bernhard Schmid/Jungle World solche Prozesse zugleich kritisch als auch informativ zu analysieren: Das Militärregime geht gegen Medien und Kritiker vorRepression gegen Opposition in Guinea – Das Militärregime Guineas verschärft die Repression, jüngst sind zwei Oppositionelle »verschwunden«.” So ungefähr stelle ich mir guten Journalismus vor. Doch wo ist er hin?

Ich hab’ mich NICHT AUFGEREGT

10 Mio. sollen sich gestern von der ARD mit der Olümpia-Eröffnung in Paris haben quälen lassen. Warum die ARD den Fussball-Mann Bartels hat kommentieren lassen – keine Ahnung. Ich wills auch lieber nicht wissen. Dass er nichts über Marie-José Pérec gewusst haben soll … herrjeh, haben die in der Reporterkabine kein Internet? Ahnungslos weiterquatschen ist in solchen Situationen in der Tat das maximal Dümmste. Herzlichen Glückwunsch zu meinem Festplattenrecorder, auf dem noch ungesehener Stoff von zwei Tagen wartet. Empfehlung: Die Durrells auf Korfu – schönere Geschichte, schönere Bilder.

So graben sie sich alle ihre Grube selber. Mit Trumps’ (aus der Pfalz) oder des Besserwessis Höcke (hier aus Neuwied) Intelligenz hat das nichts zu tun … Helmut Kohl war auch aus diesem Bundesland (1978 hätte ich ihn mit meinem Käfer auf dem Zebrastreifen zwischen Bundeshaus und Langem Eugen überfahren können). Was ist das, das solche Typen grossmacht? Malu Dreyer fiel nicht auf sie rein, hielt sich aber, wie Hannelore Kraft, von Berlin fern. Und anders als Kraft hat sie auch über ihren Abgang die Regie behalten. Schade, dass sie nicht gesund ist.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net