Wundersame Bahn CC
mit Update nachmittags
Gelegentlich belustige ich mich, obwohl es gar nicht lustig ist, über den welt- und realitätsabgewandten Mikrokosmos der Hauptstadt in ihrem schon von der Berliner Aussenwelt abgewandten Bezirk “Berlin-Mitte”. Ich erinnere mich noch, als wenn es gestern gewesen wäre, an entsprechende Strassenschilder im Westberlin vor 1989, die fremde Autofahrer*innen zielsicher immer wieder vor die Berliner Mauer führten. Um Berlin herum gibt es, wie bei jedem Ballungsraum, einen Speckgürtel. Der hat dort Namen wie Potsdam, Kleinmachnow oder Königswusterhausen. S-Bahnanschluss inklusive. Doch jetzt kommt es schlimmer.
Hier im Rheinland wehklagen wir völlig berechtigt, dass die Bahn kaum noch in der Lage ist, ein bisschen funktionierenden Personennahverkehr zwischen Bonn und Köln sicherzustellen. Berufspendler*innen halten das nur mit starkem Drogengebrauch durch. Andere, wie ich, sind froh, dass es die 16 und 18 des Verkehrsverbundes gibt – sie erfordert sehr viel Zeit und Geduld (und ethnologisches Interesse am Durchfahrtsland) – aber sie fahren zuverlässiger, als die privaten Regionalbahnen auf dem DB-Netz. Nach so einer Reise weiss ich wieder, warum ich so gerne in einer Stadt lebe.
Es gibt ja nicht wenige, überwiegend naive, junge Menschen, gerne auch solche aus fremden Ländern, die es nicht besser wissen können, die halten Berlin immer noch für die ultimative Grossstadt, die liberale Hochburg der Global Cities. Wo ich solchen begegne, lache ich sie aus. Ich war oft genug in Berlin, und zwar in allen seinen radikal kontrastreichen Teilen (Einheimische kennen ja oft ihre eigene Stadt nicht, sondern nur ihren “Kiez”).
Noch schlimmer ist es nur aussen rum. Gruseln Sie sich mal hier: Peter Neumann/Berliner Zeitung: “Schienenersatzverkehr-Horror: Fahrgäste nach Berlin stranden auf Dorfbahnhöfen – Überfüllte Busse, hilfloses Personal: Reisende berichten, was sie beim Schienenersatzverkehr erlebt haben. Auf einer Strecke kommt es 2025 ganz dicke.” Das erinnert mich an die Krimis von Friedrich Dürrenmatt – und der lebte in einem Land mit funktionierender Bahn.
Was der Autor nicht erwähnt: der in seinem Text zitierte Peter Westenberger ist selbst Bahnlobbyist für die private DB-Konkurrenz. Wenn ich mich nicht irre, habe ich in meiner politischen Jugend mal mit ihm über eine Bonner AStA-Koalition verhandelt, und ihn in eher unangenehmer Erinnerung behalten. Der Gruselstory tut das freilich und leider keinen Abbruch. Allerdings kenne ich nicht wenige Berliner*innen, die es nicht besser verdient haben. Was täten wir nur ohne unsere Schadenfreude …
Was dieses Bahnelend betrifft, ist die grausame Wahrheit: das ist erst der Anfang. Suchen Sie doch mal Mitarbeiter*innen, egal ob für Bus oder Bahn. Dann lieber “Am Kragen packen, und raus damit” (Friedhelm Farthmann, Gerhard Schröder, Olaf Scholz u.v.a. weiter rechts).
Update nachmittags
Sie (und ich) glauben wahrscheinlich, Bonn-Köln sei schon schlimm. Ich weiss von täglich Leidtragenden, dass es so ist. Aber wie wir im Ruhrgebiet sagen: woanders is’ auch scheisse.
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