Die Nachricht erreichte mich über die Startseite der SZ (Nachruf von Nils Minkmar nur hinter Paywall). Hier der Nachruf von Leonard Novy/Institut für Medien- und Kommunikationspolitik. Mein erster Gedanke: “Irgendwann bleiben nur noch die Idioten über …” Der DLF hatte sein monatliches “Medienquartett”, bei dem Hachmeister Stammgast und der fruchtbarste Diskutant war, schon 2022 eingestellt. Ich vermisse es jetzt noch mehr.

In den 90ern und Nullerjahren begegnete ich Lutz Hachmeister persönlich, bei Bundes- und NRW-Landes-AGs Medien der Grünen. Auch in meiner Landtagsfraktionszeit (90-05) zogen wir ihn immer gerne zu Rate. Nicht selten bezogen wir auch selbst von ihm Kritiksalven. Intellektuelle und rhetorische Schärfe war in der Persönlichkeit Lutz Hachmeisters vorinstalliert, machte ihn fruchtbar, wertvoll. Und hob ihn immer, wirklich immer, aus den schwer erträglichen Laberherden der “was-mit-Medien”-Windeier hervor. In Talkshows habe ich ihn nie gesehen. Entweder die Redaktionen hatten – berechtigte! – Angst vor ihm; oder er lehnte sie so ab, wie ich es tue.

Als öffentliche, aber weit weniger berühmte, Figur erinnert er mich an Gregor Gysi. Kleinwüchsige Männer mit berstendem Intellekt haben es oft nicht leicht, und ihre Mitmenschen auch nicht. Sie verbreiten gelegentlich Verunsicherung: ist das jetzt Charme? Oder Arroganz? Die Frauen, die ich persönlich kenne und die im Alltag mit ihm arbeiteten, äusserten sich überwiegend positiv, nicht belästigt, sondern motiviert von seiner Kreativität.

Vieles in der deutschen Medienpolitik wäre – wäre es nach ihm gegangen – anders gelaufen und organisiert worden, als es die gesetzlich zuständigen Bundesländer mit ihren medienpolitisch überwiegend dilettierenden Ministerpräsident*inn*en angerichtet haben. Die sog. “Landesmedienanstalten” – nicht zu verwechseln mit den ARD-Sendern – mit ihren aufgeblähten Bürokratien gäbe es vielleicht gar nicht. Ich gehörte, ebenso wie Hachmeister, zeitweise einer als Gremienmitglied an. Aber diese Sparmassnahme liegt den Ministerpräsident*inn*en fern.

Schon eine Woche ist der Gute tot. Wenn das mit den “Idioten” oben natürlich böswillig arrogant formuliert ist, so steht mit seinem Fehlen doch fest: die deutsche Medienpolitik wird ohne ihn noch dümmer.

Update nachmittags

Lutz Hachmeister war nicht nur Medienanalyst und -kritiker, sondern auch Produzent zahlreicher Veröffentlichungen.

Mich haben am nachhaltigsten geprägt:

Lutz Hachmeister; Friedemann Siering: Die Herren Journalisten. Die Elite der deutschen Presse nach 1945. In dieser erstklassigen Textsammlung, einer tragenden Säule der BRD-Nachkriegs-Geschichtsschreibung, nahm sich Hachmeister als Autor selbst die Nazis beim Spiegel vor. Wenn Sie das Buch noch irgendwo im Antiquariat sehen: kaufen! Es lohnt sich.

Eine der besten filmischen Analysen der Schröder-Episode der BRD (1998-05) war zweifellos Hachmeisters Film “Der Hannover-Komplex” von 2016.

Eine Aufgabe der Mediatheken: Hachmeisters Werke ans Netz!

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net