Tageslektüre extrem unterschiedlicher Qualität – in der Reihenfolge ihrer politischen Relevanz

Als Nora Guthrie vor einem Jahr beim Abendmenü im l’Olivo die verblüffende These auf den Tisch warf, Deutschland habe “die beste Regierung der Welt”, jüngst wurde sie von der Seite 3 der SZ befragt und porträtiert (kann ich Ihnen auf Verlangen gerne zusenden, digital nur hinter Paywall), da warf ich zart mit hörbarem Fragezeichen Brasilien ein. Neben mir sass meine persönliche Brasilienexpertin, die mir schweigend einen bösen, sehr bösen Blick zuwarf. Ich verstummte, nachdem ich noch zaghaft “wenigstens in der Aussenpolitik” zu wispern gewagt hatte.

Zu meinen Gunsten möchte ich nun diese schriftliche Zeugenaussage ins Feld führen. Mariano Aguirre Ernst & Mabel González Bustelo/IPG-Journal: Friedensstifter aus dem Globalen Süden – Brasilien will sich als Mediator bei globalen Konflikten profilieren – kann Präsident Lula auch im Ukraine-Krieg vermitteln?”

“Sicherheitspaket” – die Gefahr für unsere Bürger*innen*rechte

Die “Sicherheitsexperten” unter meinen Autor*inn*en leiden bisweilen unter Schreibblockaden, verständlicherweise. Mit dem Tempo des Bürger*innenrechtsabbaus ist publizistisch kaum Schritt zu halten. Obwohl: die Kollegen von netzpolitik.org versuchen es. Markus Reuter, Chris Köver: ‘Sicherheitspaket’: Kosmetische Korrekturen an Überwachungsplänen – Das umstrittene Sicherheitspaket soll noch diese Woche durch den Bundestag gepeitscht werden. Die Pläne bedrohen trotz kosmetischer Änderungen massiv Grund- und Menschenrechte. Wir veröffentlichen die Änderungsanträge der Ampel im Volltext – und analysieren, was sie bedeuten.”

Wo sind die Massstäbe in der Bekämpfung des deutschen Antisemitismus?

Ein Versuch von Charlotte Misselwitz/Jacobin: Der Antisemitismus der Antisemitismus-Bekämpfer – In Deutschland werden jüdische Stimmen, die die Politik Israels kritisieren, immer wieder des Antisemitismus bezichtigt und diffamiert. Als antisemitisch gelten diese Ausgrenzungen aber nicht. Diese Verzerrung ist hochgefährlich – und bildet den Bodensatz für einen neuen deutschen Patriotismus.”

Die Eigenbeschreibung “Ich bin kein Antisemit …” wie auch die “Ich bin kein Rassist …”, auf die in der Regel ein “… aber …” folgt – sie ist immer falsch. Und “Da bin ich nicht dabeigewsen …” ist kein wirksames Alibi. Es gibt soziale Vererbung, auch von nicht selbst erlebten Traumata. Wenn Sie das nicht glauben wollen, suchen Sie sich eine*n Therapeutin*en.

Ohne Verlinkung – Wegbeissen im Untergang

In der untergehenden Welt gedruckter Zeitungen grassiert das Foulspiel. Das Niveau ist so gering, dass ich auf Verlinkungen verzichte.

Alle gegen die Berliner Zeitung. Der Milliardärsoligarch Holger Friedrich (Berliner Zeitung) wurde von den anderen Milliardärsfamilien nie als einer von ihnen akzeptiert. Die Kölner DuMonts sind besonders beleidigt, weil sie seine “Berliner Zeitung” selbst besessen haben und nichts mit ihr anfangen konnten. Und den Bonner “General-Anzeiger” haben sie auch nicht abgekriegt, der wurde ihnen von der Düsseldorfer (!) Rheinischen Pest vor der Nase weggefressen.

Friedrich wiederum versucht aus den unqualifizierten Tretereien und Ausgrenzungen aufmerksamkeitsökonomischen Honig zu saugen. Und ignoriert standhaft, dass er zwar über eine Menge Kapital verfügt, aber nicht über einen politischen und publizistischen Kompass. Das führt zu nicht wenigen lesenswerten Texten – ich wurde einst noch von Antje Vollmer darauf hingewiesen – mehr als bei den meisten Andern, aber eben auch zu mehr Trash als bei den Andern. Lesen Sie selbst.

Geht es noch tiefer?

Ja, die Junge Welt und die taz diffamieren sich gegenseitig und schrecken vor keinem Revanchefoul zurück. Ich habe das meiste gelesen, und stelle fest: beide haben recht. Wenn ich jemals an dieser Stelle Kolleg*inn*en ähnlich unqualifiziert diffamieren sollte, geben Sie mir bitte einen kritischen Hinweis.

Und jetzt zum Fussball

Es ist schmerzhaft, aber es muss sein. Kein Konzernteam, kein Rüstungskonzern-Prostituierter, aber echte Liebe verlangt Ehrlichkeit und offene Aussprache. Und die langweilende Länderspielpause fordert regelrecht dazu heraus. Das machen wie immer die Kollegen von seitenwahl.de zu dem Objekt, mit dem ich länger zusammenlebe, als ich es mit irgendeinem Menschen getan habe, mit Borussia Mönchengladbach:

Christian Spoo, Volkhard Patten & Mike Lukanz/seitenwahl: Der Borussia-Weg: Familiär Richtung 2. Liga – Borussia Mönchengladbach war im Sommer mit viel positiver Energie in die neue Saison gestartet, und die ersten Auftritte schienen ein zartes Pflänzchen wachsen zu lassen. Nach vier Niederlagen in sechs Ligaspielen und Woche für Woche weichender Form ist Borussia im Frühherbst 2024 erneut im Sinkflug. Was von außen lapidar als Fehlstart in eine weitere Saison eingeordnet werden könnte, ist im Kern eine fundamentale Führungskrise eines Vereins, der sich innerbetrieblich auf die familiären Schultern zu klopfen scheint, dabei aber taumelnd Richtung Zweitklassigkeit mäandert. Und das mit Ansage.”

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net