In den letzten zwei Saisons sehnte ich schon einen Abstieg herbei. Die Plastik- und Konzernvereine in der ersten der beiden DFL-Ligen haben so überhand genommen und Langeweile verbreitet (und tun es immer noch), dass die Zweite und selbst die Dritte Liga im deutschen Profifussball (der Herren) sportlich und für das Publikum weit attraktiver sind (und die Frauen in dieser Saison übrigens endlich auch). An einzelnen Spieltagen hat die Zweite Liga bereits mehr Zuschauer als die Erste. Borussia Mönchengladbach könnte dorthin zurückkehren, wo sie waren, als ich Fan wurde. Letzte Saison waren drei schlechter. Und diese Saison vielleicht noch mehr.
Die jetzt in der Ersten unten stehen – Kiel, St. Pauli, Bochum – sind allesamt Sympathieträger und gehören von daher eher in die Zweite, wo der HSV. Hannover, Kaiserslautern, Braunschweig, Schalke, Nürnberg, Münster, Magdeburg und Köln sie freudig erwarten würden. Diese merkwürdigen -heims oder VW, Rheinmetall, Redbull, Bayermonsanto – wer will sowas sehen? Im Fussball! Ich brauche das nicht, und ich kenne mehr, denen es ähnlich geht, als andere.
Doch nun hat meine Borussia den “Auswärtsdeppen”-Titel an ihre Namensvetterin aus dem westfälischen Raum abgetreten. Und obwohl Letztere vor Champions-League-Millionen kaum laufen kann, beträgt der Punkteabstand nach 12 Spieltagen nur zwei. In Borussenfan-Fachkreisen wird nun erwartet, dass nach vielen sehr langen mageren ahren sogar mal wieder zwei Siege hintereinander gelingen könnten. Nicht übermütig werden. Zunächst gelang in zwei Spielen hintereinander je eine starke Halbzeit. Und bei den Bullen in Leipzig sogar ein Spiel ohne Gegentor.
Eberl-Nachfolger Roland Virkus war (und ist) bereits angezählt. Das Betriebsklima im Inneren des Vereins soll er vergiftet haben, für (konstruktive) Kritik nur schwer zugänglich sein. Für die ganze Fussballwelt rätselhaft blieb, warum er in der letzten Transferperiode keine Verstärkung für die desolate Abwehr gesucht und gefunden hat. Nur Bochum und Darmstadt hatten in der letzten Saison mehr Gegentore. Besonders “borussisch” wurde es, Gegentore und Punktverluste in der Nachspielzeit zu kassieren. Das häuft sich nur dann und geht über Zufälle hinaus, wenn in der Statik der gesamten Organisation was nicht stimmt. Und dafür sind die Führungskräfte verantwortlich. Wer sonst?
Immerhin besteht kein Zweifel daran, dass die Neuerwerbungen Kevin Stöger (Österreiher aus Bochum), Philipp Sander (Ex-Kapitän aus Kiel) und vor allem der Neu-Nationalspieler Tim Kleindienst (aus Heidenheim, im reifen Fussballeralter von 29) das Team stärker gemacht haben. Letzterer beeindruckt durch Tore, Torvorlagen, und gleichermassen Geradeausspielen wie -reden. Das wirkt auch auf die Mitspieler. Ein gutes Beispiel der hochbegabte aber stark formschwankende Alassane Plea, der wieder zu alter Stärke zurückfindet. Kritisiert wurde von Fans zuletzt, dass ausser dem beeindruckenden Fan-Liebling Rocco Reitz kein Jugendspieler mehr den Weg nach “oben” fand. Nun gibt es neuerdings wieder einen, der von Hertha BSC über Borussias U23 den Weg gefunden hat: Lukas Ullrich. Und der macht sogar die Abwehr stärker. Isses denn möglich?
Sie merken, wenn Sie fussballverständig sind: Borussia Fans sind schon mit kleinen Dingen glücklich zu machen. Wer stimmungsmässig ganz unten angekommen ist, wird hungrig und genügsam. Bei den sachverständigen Kollegen von Seitenwahl lässt sich das nachvollziehen.
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