Eine deftige (allerdings erfahrungsgesättigte) Spekulation

Eine neue Minimal-GroKo ist das erklärte Ziel von Union und SPD. Wäre ja doch schade, wenn man die vielen Seilschaften der beiden Parteien im Land so ganz ohne höchste Bundeshilfe beließe…

Die SPD wird versuchen, den Unions-Kandidaten zu desavouieren – so, wie Merkel es zuvor mit vielen SPD-Kandidaten getan hat. Die SPD-nahe „Süddeutsche Zeitung“ hat heute ein Interview mit dem deutschen Blackrock-Chef gebracht, mit vielen ungeklärten Fragen zu Merz’ Tätigkeit für das Unternehmen. Viele andere Medien werden den Aufschlag des „Leitmediums“ aufgreifen. Wer weiß, da könnte was „aufgebaut“ werden.

Gleichzeitig will man die Grünen an den Rand drücken, es soll nur noch um die Frage CDU- oder SPD-Kanzler gehen, mit entsprechender Endmobilisierung – so macht man das in den Wahlkampfzentralen.

Wenn Scholz auf diesem Weg Merz nicht nahe kommt, dann wird man ihn (im Januar?) gegen Pistorius austauschen. Aus meiner Sicht ist Pistorius zwar eine gute Projektionsfläche für Wünsche und Hoffnungen, aber nicht wirklich ein Mann für die erste Reihe. Das hat er mit Scharping und Martin Schulz gemeinsam. Aber vielleicht fällt das ja in den wenigen verbleibenden Wahlkampfwochen nicht auf? Ansonsten droht heftige Martin-Schulzisierung für die SPD.

Eine Alternative: Signifikant viele Leute erinnern sich daran, welcher GroKo-Immobilismus Deutschland den Status Quo eingebrockt hat – und sperren sich gegen den Versuch, den CDU/CSU/SPD-Strukturkonservatismus weiter zu unterstützen – ohne dabei ins populistische Lager abzudriften.

Und noch positiver gedacht: Die „Vernünftigen“ in der Union, die sich daran erinnern, dass die Partei in komplizierten Situationen immer etwas getan hat, was für die Bundesrepublik nicht ganz falsch, sondern eher richtig war, erinnern sich an ihre Verantwortung. Ja, es gibt solche Leute in der Union, auch wenn sie nicht immer so laut auf sich aufmerksam machen wie „Dr. Demut“ aus Bayern.

Na ja, man wird ja noch von der relativ „vernünftigsten“ Variante träumen dürfen. Ähem.

Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Geboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.