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Was soll man … frau eigentlich wählen?

So manches mal findet sich bei mir ja die Andeutung, dass ich Kanzlerin Merkel wieder haben will. Oder dass die Europalinie von Adenauer oder Kohl nicht so falsch war. Aber ich würde mich dennoch kaum unter den Wählern der drei großen Unionskanzer einreihen. Auch nicht bei Wüst, Günther oder im Laschet-Umfeld. Ich halte diese Christdemokraten jedoch für Politiker, die im Kopf frei genug sind, um im Zweifelsfall das Richtige zu tun. Und das war immerhin ein gewisser Vorzug von Unionspolitik über viele Jahrzehnte.

1) Bei Merz ist das irgendwie abhanden gekommen. Er ist eigentlich ein Parteipolitiker im engeren Sinne, das heißt ein Redner in Hinterzimmern, vor älteren weißen konservativen Herren, wo Cholerik gut ankommt, aber nicht Verbindlichkeit und Einbeziehung. Er ist der Mann einer ziemlich verstaubten Unionsbasis, die ihn an die Spitze seiner Partei gewählt hat. Wenn er als Kanzler freien Weg hat, wird es riskant. Er hat wahrscheinlich nicht das Format. Das hat Merkel schon geahnt. Ob er es im Kanzleramt bekommen kann, das weiß ich nicht.

2) Wäre da die SPD, der wahrscheinlicheste Koalitionspartner in einer Mini-GroKo. Diese Konstellation wäre noch schrecklicher und selbstblockierender als die letzten drei Male. Warum? Die SPD muss „auf Teufel komm raus“ regieren. Sie hat so große Seilschaften im Land, in den Unternehmen, den Medien, den Sozialverbänden etc., überall. Wer ein bisschen was von der gesellschaftlichen Realität mitbekommt, die nicht in den Nachrichten oder den politischen Büchern steht, sondern in den Sozialstrukturen überall zu greifen ist, der weiß das. Um diese Interessenlandschaft einer (ehemaligen) 45%-Partei zu verteidigen, ist die SPD zum Regieren regelrecht verurteilt. Deswegen wird sie sich um jeden Preis (!) an die Union verkaufen, so wie die hessische SPD das vorgemacht hat – um jetzt an hessischen Unis das Genderverbot für die CDU durchzusetzen. Ich wünsche gute – und befürchte höchst selbstmörderische – Verrichtung bei diesem Projekt U10%!

3) Wären da die Grünen. Sie wollen zweifellos regieren, müssen es aber nicht. Sie sind auch ganz gut geübt in Opposition. Allerdings blieben da die wichtigen Themen – also das, worüber in diesem Wahlkampf (fast) nicht geredet wird: Klima, Europa, Frieden, Digitalisierung von Wirtschaft/Verwaltung, KI, Mobilitätswende, Infrastrukturen, Bildung, Forschung, Wissenschaft, Frauen, Gerechtigkeit … also die großen Zukunftsthemen. Die Grünen haben viel in Bewegung gesetzt. Merz würde das Meiste wieder abreißen, wenn er mit einer dezimierten SPD, die ihm nach der Pfeife tanzt, alleine regieren kann.

Nach Lage der Dinge wäre eine schwarz/rot/grüne Regierung also das kleinste Übel. Tja, so sieht es aus, leider. Das ist das Komplizierte an der Lage. Das linke Lager (rot/grün) ist nämlich nicht stark genug, um Merz (Söder, Spahn, Dobrindt …) Paroli zu bieten (30% vs. 15%+15%) und das Land halbwegs auf einem Zukunftskurs zu halten, und nicht bloß auf einem Lobbykurs. Das ist wohl das Beste, was im Moment rauskommen kann bei dieser Wahl.

P.S. Es freut mich übrigens sehr, dass es jetzt eine Chance gibt, dass das unsägliche BSW nicht in den Bundestag kommt, eine Kaderpartei von putintreuen, rot lackierten Rechten. Die „Linke“ ist mir da hundert Mal lieber, eine linkssozialdemokratische Partei, die sich zuletzt auch den Klimathemen angenähert hat. Von daher ok, wenn sie wieder reinkäme. Wenn der Preis dafür aber ist, dass eine übermächtige Union (Übermacht mit Unions-Tiefwert 30%!) dann mit 15%-Kevin (oder vielmehr Tricky Lars) allein zu Hause ist, wäre das machttaktisch-strategisch ein ziemliches Debakel für die Zukunftsfragen und das Lager links der Mitte.

Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Geboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.

5 Kommentare

  1. Norbert Reichel

    Eine schwarz-rot-grüne Regierung? Man sollte nicht vergessen, dass wir auch eine demokratische Opposition brauchen. Das kann die Linke alleine nicht leisten. Auf keinen Fall sollte eine Situation entstehen, in der die AfD und das BSW (das hoffentlich nicht ins Parlament einziehen wird, aber ausschließen können wir das zurzeit noch nicht) die Opposition stellen. Ich hoffe auf eine Zwei-Parteien-Regierung Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün (Schwarz-Rot ist sicherlich wahrscheinlicher), sodass die andere Partei, die nicht an der Regierung ist (wahrscheinlich wohl Grün) eine gute und verlässliche demokratische Oppositon stellen kann. Außerdem wäre das ein wichtiger Beitrag für ggf. erforderliche Verfassungsänderungen, obwohl nicht ausgemacht ist, dass Schwarz-Rot-Grün zusammen eine Zwei-Drittel-Mehrheit haben werden. Wünschenswert wäre es.

  2. Helmut Lorscheid

    Ok, dass ich mit Reinhard Olschanski einer Meinung bin, geschieht ohnehin höchst selten. Aber hier wird es unsachlich, wenn man die Grünen “im linken Lager” verortet. Das würden sich die Grünen sicher selbst auch verbitten. Die Spitzenkandidaten der Grünen machen – zumindest auf mich – keinen übermäßig intelligenten Eindruck – kriegslüstern wie sie sind, taugen sie weder für Kanzler noch für Außenminister. Die können derzeit nur Krieg. Wählen kann man diese Truppe nicht, jedenfalls nicht wenn man keine Kriege führen, finanzieren oder ausstatten möchte. Mir scheinen nur Linken wählbar. Mit meiner Erststimme unterstütze ich die Kandidatin, die im Wahlkreis eine Chance hat und zumindest persönlich ihr Mandat die letzten drei Jahre vernünftig genutzt hat, um für alle möglichen Menschen etwas zu tun. Erststimme für Katrin Uhlig – ja, eine Grüne. Die ehemalige Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal scheidet bei mir aus, schon weil sie keine einzige meiner Anfragen an Sie auch nur beantwortet hat. PolitikerInnen, die ihr Mandat so wenig Ernst nehmen, sollten nicht weiter im Bundestag sitzen. Dabei geht es nicht darum, ob es meine Anfragen sind – es geht um den Grundsatz. Wenn Abgeordnete auf Bürgeranfragen nicht antworten, brauchen wir über Politiker-Verdrossenheit nicht lange diskutieren. Diese Ignoranz ist nicht der einzige Grund, aber sicherlich einer von vielen – etwas nicht mehr zur Wahl zu gehen.
    Schön wäre es, wenn man im nächsten Bundestag an den Linken nicht vorbei könnte. Dieser Wunsch ist leider nicht besonders realistisch. Was uns wahrscheinlich droht, ist weiterer Stillstand in Form einer CD/CSU-SPD -Koalition Wobei weitere vier Jahr eine Innenministerin Faser schon eine sehr schreckliche Vorstellung ist. Diese Frau betreibt gegenüber Flüchtlingen AfD-Politik . Es kann nicht nur darum gehen, die AfD in Prozentzahlen klein zu halten, – es bringt auch nichts, wenn andere die Forderungen der AfD in einer Regierung umsetzen. Unser Widerstand muß sich auch gegen Leute wie Faser richten.

  3. w.nissing

    hihi, das wovor alle Angst haben 🙂 Nach einigen Meldungen scheinen ja viele Wähler noch den Hitchcock zu machen.. suspenz poor
    PS: Kam heute morgen auf dem Weg zur Arbeit an einem Wahlplakat der Friedensaussenbeauftragten vor bei… wäre beinahe von meinem unkippbaren 3Rad gefallen. ( Gut, die meisten wissen ja noch nicht das die das mit 700MIAs aus unseren löchrigen Pockets bewerkstelligen will)

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