Wie Trump und Musk die USA in einen faschistoiden Digitalkonzern verwandeln – Mittels Fake News und perfider Algorithmen bahnt sich in den USA ein digitaler Staatsstreich an – und zwar „von oben“, meint unser Autor.
Seit Donald Trump zum zweiten Mal US-Präsident geworden ist und sein Horror-Kabinett mit dem Regieren begonnen hat, sehen wir quasi live, wie in den USA ein Staatsstreich „von oben“ durchgeführt wird. Dieses Unterfangen wird unterstützt von superreichen Unternehmern aus dem Silicon Valley, von denen Jeff Bezos (Gründer von Amazon), Mark Zuckerberg (Gründer von Facebook beziehungsweise Meta, inklusive Instagram und WhatsApp) und Peter Thiel (Gründer von Paypal) nur die prominentesten sind. Opportunistisch haben Sie sich auf die Seite von Trump geschlagen.
Elon Musk, dem reichsten Mann der Welt, fällt dabei eine ganz besondere Rolle zu. Er ist der neue Effizienzminister der USA und zudem überzeugter Anhänger des Longtermism – einer Philosophie, in der die Zukunft auf Kosten der Gegenwart priorisiert und höher bewertet wird und in der die Effizienz das Maß aller Dinge ist.
Zudem ist diesen libertären Tech-Milliardären gemeinsam, dass sie dem Staat und der Rechtsstaatlichkeit abschätzig und verachtend gegenüberstehen. Sie sehen sich durch den Staat in ihrer ökonomischen Expansionskraft und in ihrem Macht- und Profitstreben eingeschränkt. Ihrer Meinung nach sollte der Staat wie ein Unternehmen geführt werden. Was nichts anderes besagt, als dass man sich jeglicher staatlicher Regelung entledigen möchte.
Trumps Deals sind Erpressungsversuche
Was daher momentan zu sehen ist, ist nichts anderes als die Demontage des amerikanischen demokratischen Rechtsstaates. Es ist eine Umwandlung hin zu einem quasi faschistoiden Wirtschaftskonzern namens USA. Da haben dann nicht mehr Politiker, sondern CEOs – also Geschäftsführer – das Sagen. Dementsprechend bezeichnen Trump und Musk ihr erpresserisches politisches Agieren auch als „Deal“.
Bei ihren Deals – besser gesagt, bei ihren Erpressungsversuchen – scheren sich die beiden nicht um Gesetze. Die Verfassung oder das Völkerrecht und internationale Institutionen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag sind ihnen ein Dorn im Auge. So wurde als Erstes die Verbraucherschutzbehörde aufgelöst, und Musk wird weitere Behörden und Ministerien der USA zu Kleinholz machen und zig Beamte fristlos entlassen.
Da werden verurteilte Schwerverbrecher, die das Capitol gestürmt und fünf Tote zu verantworten haben, per Dekret begnadigt und aus den Gefängnissen entlassen. Da wird von heute auf morgen der Golf von Mexiko zum Golf von Amerika umbenannt und gedroht, Panama, Kanada und Grönland in Protektorate der USA zu verwandeln. Da wird in zynischer Weise überlegt, Gaza in ein „Riviera-Ferienparadies“ zu verwandeln und die Palästinenser umzusiedeln.
Da wird über ukrainische und europäische Köpfe hinweg ein Deal mit Wladimir Putin angestrebt und erpresserisch erklärt, die Ukraine nur noch gegen den Erhalt von Bodenschätzen militärisch verteidigen zu wollen. Ein Deal, der für die Ukraine alles andere als ein gutes Geschäft wäre und das Land zur Beute von Trump und Putin machen würde. Die Kosten für einen Wiederaufbau der Ukraine und deren Schutz würden überdies bei den Europäern abgeladen.
Ebenso versucht die Trump-Regierung – genauso wie Putin es macht – Europa ökonomisch zu schwächen und politisch zu spalten. Mit diesen politischen Erpressungen und dieser Revolver-Diplomatie sind der Willkür und dem Chaos Tür und Tor geöffnet. Wenn es nach Trump und Musk geht, gilt fortan nur noch das Recht des Stärkeren. Das wäre dann der Anfang vom Ende jeglicher zivilisatorischer Standards und der allgemeinen Menschenrechte.
Die „historische Mission“ der US-Regierung macht skeptisch
Der Staatsstreich trumpscher Prägung ist ein brutales Experiment, bei dem der Künstlichen Intelligenz (KI) – wie es Elon Musk vorschwebt – eine tragende Rolle zukommt. Musks Vision von KI läuft darauf hinaus, dass sein longtermistisches Weltbild Realität werden soll. Alles, was der Effizienz im Wege steht, alles, was stört, muss weg. Das betrifft Migranten, arme Menschen, Obdachlose, die LGBTQ-Community, aber auch den Feminismus sowie jegliche Form von Fragilität der menschlichen Existenz.
Priorität haben zukünftige Generationen, dafür müssen aber in der Gegenwart Opfer gebracht werden. Deshalb müssen der Migrant und alles Fremde vertrieben, das Weibliche zurückgedrängt und alles vermeintlich Störende und Nutzlose eliminiert werden. Deshalb muss der Mensch nach den Kriterien der Effizienz und Nützlichkeit umgestaltet und optimiert werden.
Musk und Trump glauben, eine historische Mission erfüllen zu müssen. Solch einem Irrglauben verfielen auch die Nazis, die in ihrer zynischen Verblendung die Ermordung von sechs Millionen Juden als historische Mission betrachteten. Die Geschichte lehrt seither: Hüte dich vor all jenen, die behaupten, eine historische Mission erfüllen zu müssen.
Im longtermistischen Denken muskscher Prägung gibt es auch keinen Platz für Muße und interesseloses Wohlgefallen um seiner selbst willen. Das heißt dann aber auch, dass es um Kunst, Schönheit und Wahrheit schlecht bestellt ist. Also um jene Attribute, die der Philosoph der Aufklärung, Immanuel Kant, der Kunst zugeordnet hat.
Es ist ja schon seit langem zu bemerken, wohin die digitale Reise geht, und solche negativen, menschenverachtenden Algorithmen werden weiter zunehmen. Schon jetzt sind die Social-Media-Plattformen von Instagram, TikTok und Co. nach den Prinzipien der Aufmerksamkeitsökonomie programmiert. Was dazu führt, dass Emotionen, Hass, Hetze, Fake News und Verschwörungstheorien im Netz allgegenwärtig erscheinen. Diese in weiten Teilen menschenverachtenden Inhalte werden durch den Algorithmus permanent priorisiert, was zwangsläufig zu einer großen Reichweite und zu hohen Klickzahlen führt. Vernunft und Fakten, die von jeher Wahrheit begründen, sind in der digitalen Welt nicht mehr gefragt. Einst rief Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast: „Wollt ihr den totalen Krieg?“ Trumps Ruf lautet: „Wollt ihr die totale Lüge?“
Die Umkehrung aller Werte ist schon seit Trumps erster Amtszeit voll im Gang. Die Lüge ersetzt die Wahrheit, das irrationale Gefühl ersetzt die Vernunft und das Gerücht und die alternativen Fakten (also Lügen) ersetzen die Tatsachen. Das Ergebnis ist, dass viele Menschen nur noch in Echokammern kommunizieren, was wiederum ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit verzerrt und ihre politische Mündigkeit untergräbt.
Algorithmen machen mündige Bürger zu verwirrten Konsumenten
In die Algorithmen sind auch immer die Werte und das Menschenbild ihrer Programmierer eingeschrieben. Zukünftig werden longtermistische, profitorientierte, patriarchale, frauen- und freiheitsfeindliche Wertvorstellungen noch stärker die KI-Algorithmen dominieren. Es sind antiaufklärerische Algorithmen, die der irrationalen Verblendung, der Manipulation und der Lüge weiter Vorschub leisten werden.
Ziel solcher Algorithmen ist es, aus mündigen Bürgern manipulierte und verwirrte Konsumenten zu machen, die sich permanent selbst optimieren, da ihnen über Werbung und Social Media ständig vermittelt wird, dass sie irgendwie nicht okay sind. Dass ihnen zu ihrem Glück etwas fehlt. Dass sie entweder nicht attraktiv genug, nicht klug genug, nicht jung genug, nicht gesund genug, nicht fit genug oder nicht wohlhabend genug sind. Dass sie irgendwie defizitär seien, da sie das in ihnen schlummernde Potenzial nicht voll auszuschöpfen vermögen. Zig Influencer und Coaches reiten auf dieser Welle und haben daraus ein profitables Geschäftsmodell gemacht, seien es Ratgeber oder Coaching-Seminare für Finanzen, Erfolg, Liebe, Schönheit, Gesundheit, Reisen oder spirituelle Erleuchtung.
Vom Selbstzweifel auf Instagram zur autoritären Sehnsucht
Besonders die Algorithmen der Social-Media-Plattformen erzeugen bei den konsumierenden Usern reaktionäre Gefühle der Selbsterniedrigung und Selbstentmächtigung. Bei den Influencern, die aktiv Social Media für ihre Zwecke nutzen, tritt die entgegengesetzte Wirkung ein: Sie wiederum fühlen sich selbstermächtigt.
Damit wirken diese Algorithmen tief in die privaten Lebenswelten eines jeden Einzelnen hinein und entfalten eine enorme politische Wirkung. Das Private war schon immer auch politisch und im digitalen Raum tritt das immer deutlicher zutage.
Social Media erzeugen bei Usern einen Konkurrenzdruck, da sie einen unterschwellig ständig auffordern, sich mit einem fiktionalen „Role Model“ zu vergleichen, einem Idealbild, welches nie erreicht werden kann. Mit den designten und modellierten Körpern der Werbung auf dem Smartphone-Screen kann in der Realität keiner von uns mithalten und mit dem protzig zur Schau gestellten Vermögen mancher Influencer-Millionäre auch nicht. Dieses ständige Vergleichen begünstigt eine Ich-Schwäche, in deren Sog Selbstzweifel, Ohnmachtsgefühle, Mutlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Orientierungslosigkeit und depressive Verstimmungen auf das Gemüt drücken und die psychische Gesundheit erodieren lassen.
Diese scheinbar privaten, psychoemotionalen Zustände des Einzelnen haben jedoch gravierende politische Folgen im Schlepptau, da so autoritäre Sehnsüchte nach einfachen Lösungen und nach einem starken Führer befeuert werden.
Der mächtigste Mann und der reichste Mann der Welt inszenieren sich gerade als Superhelden, als autoritäre Führer mit Blitzlösungen für komplexe Probleme. So was verfängt bei vielen Menschen. Doch ihre im Superlativ vorgetragenen Allmachtsfantasien machen die Zukunft nur zu einer herzlosen und grausamen Welt, in der Menschlichkeit kein Maßstab mehr ist.
Nach Abschluss seines Studiums im Jahr 1997 zum Dipl.-Medienberater an der TU Berlin sowie der Kultur- und Theaterwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin realisierte Wolfgang Bauer als freier Autor und Regisseur für Chronos Media etliche Dokumentarfilme zur NS-Zeit und zum Holocaust. Von 2001 bis zu seinem Rentenbeginn 2023 war er als Berufsschullehrer für Mediengestaltung am OSZKIM in Berlin tätig. Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz (CC BY-NC-ND 4.0). Er darf für nichtkommerzielle Zwecke unter Nennung des Autors und der Berliner Zeitung und unter Ausschluss jeglicher Bearbeitung von der Allgemeinheit frei weiterverwendet werden.
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