In den letzten Wochen und Monaten keimte in mir vermehrt der Gedanke “wie gut, dass ich schon 68 bin”. Gelegentlich sprach ich ihn in Gegenwart guter Freund*inn*e*n auch aus. Es amüsierte nicht, insbesondere die mit Kindern nicht. Ich beanspruche für diesen politischen Sachverhalt meine Unschuld. In Olafs “Zeitenwende” glauben sich die politischen Entscheider*innen von allen alten Gesetzen befreit. Bzw. trachten danach, sich davon zu befreien. Nicht das dem deutsch-ökonomischen Klippschulwissen (“schwäbische Hausfrau”) widerstrebende Schuldenmachen ist das Problem, sondern: wofür?
Der Mann der schwäbischen Hausfrau meint, Schulden seien eine zukünftige Last für seine Kinder. Die grössere Last für seine Kinder sind jedoch gegenwärtig die unbenutzbaren Schultoiletten. Das war übrigens zu meiner Schulzeit in den 70ern schon so. Hätte damals die Stadt Gladbeck Schulden aufgenommen, um die Toiletten meiner Schule zu reparieren, zu reinigen und kontinuierlich zu warten, hätte das das Leben tausender Schulkinder im Ruhrgebiet erleichtert. Selbstverständlich waren und sind die Toiletten nicht das einzige, was in den Schulen nicht funktioniert. Mann nennt es als Sammelbegriff Bildungsinvestitionen. Für deutsche Klippschulökonomen sind das kosumtive Ausgaben. Genau das ist der Denkfehler. “Kinder sind unsere Zukunft” bleibt Sonntagsreden vorbehalten. Deutsche Volkswirte können sowas nicht berechnen.
Das gleiche Prinzip können Sie, wenn Sie mögen, jetzt fast genauso für Klimaschutzinvestitionen durch”rechnen”. Wenn Sie mit diesem Rechnen fertig sind, sind die Holländer*innen, die sich kein Hausboot leisten konnten, schon hier. Und die 5,5 Mio. Ruhris aus dem Pott auch.
Doch was machen die, die in ihrem Amtseid geschworen haben, “Schaden” von uns “abzuwenden”? Ungefähr das:
Eric Bonse/taz: “Zeitenwende in Europa: Wer zahlt die europäische Aufrüstung? – Nach von der Leyens Ankündigung auf dem EU-Gipfel wird deutlich: Die Finanzierung ist ungeklärt.” Ex-Aussenminister Joseph Fischer sagt dazu in einem Interview der “Zeit” (Paywall) “Ja. Eindeutig ja.”
Fischers Analyse unterscheidet sich lediglich in seiner klügeren Ausdrucksweise von der des deutschen BND-Chefs, also dem, der dafür verantwortlich ist, dass alle deutschen Aussenpolitiker*innen angeblich von der Wiederwahl und Politik Donald Trumps “überrascht” sind.
Florian Rötzer /overton: “BND-Chef Kahl: ‘Ein frühes Kriegsende in der Ukraine befähigt die Russen, ihre Energie gegen Europa einzusetzen’ – Bruno Kahl, der Chef des Bundesnachrichtendienstes, ist kraft seines Amtes dabei, den Deutschen Angst zu machen. Das soll sicherzustellen, dass die Rüstungs- und Sicherheitsausgaben steigen, wovon der BND auch profitieren wird, zumal wenn die Zusammenarbeit mit den amerikanischen Geheimdiensten bröckelt. Er machte in dem Interview mit der Deutschen Welle auch noch eine Bemerkung über das Ziel der militärischen Unterstützung der Ukraine , die in der Ukraine nicht gut ankam.”
Ich bin kein Militarismusexperte. Aber aus der mir verabreichten Propaganda ergeben sich für mich einige Fragen. Nach Fischers und Kahls Auffassung muss ein – politisch nicht näher definiertes, aber unbedingt “einiges” – Europa nun dringend militärisch aufrüsten, um den “Schutz”, den uns Donald Trump zu versagen droht, zu kompensieren. Wie viel Zeit – nur mal so grob über den Daumen – dürfte das in Anspruch nehmen? Bonn kennt seine Beethovenhalle, Köln seine Oper. Und die Schultoiletten, s.o., kennen wir alle aus eigener Anschauung.
Und wenn dieser Despot Putin so gestrickt ist, wie er uns von unseren Medien charakterisiert wird – was hält den dann eigentlich davon ab, vorher zu “handeln”?
Womit ich bei den Atomwaffen bin. Warum könnte Emmanuel Macron so generös sein, “seine” Atomwaffen von Frankreich nach Deutschland (oder auch Polen) vorzuverlegen? Das ist in diesem Zusammenhang die einfachste Antwort: weil sie Ziele eines Angreifers sind, und für grenzenlose Verwüstung sorgen. “Deutsche” Atomwaffen sind darum ausschliesslich im “Wer-hat-den-Längsten”-Wettbewerb für deutsche Machtpolitiker*innen gut. Für uns Normalos und Normalas sind sie das Gegenteil von Schutz. Friedens- und Entspannungspolitik wäre Schutz. Aber die können die nicht.
Das führt mich gedanklich weiter zum “Rüstungskeynsianismus”. Mindergebildete Sozis und Grüne glauben allen Ernstes, militärische Aufrüstung sei doch auch “gut für die Konjunktur”. Sie schaffe “Arbeitsplätze” und “Steuereinnahmen” – mal abgesehen von den Ausgaben, die sie schafft … Wie sie sich in Berlin einigen werden, das weiss bereits der Kollege Lutz Heuken/”Blog der Republik”. Mir ist diese Aufführung, die er beschreibt, zu billig; ich guck’ sowas nicht (mehr).
Der ökonomische Denkfehler ist: die Produkte sind unnütz. Kein Mensch braucht sie, kein Mensch kauft sie – nur dumme Staaten tun es. Die so geschaffenen Produkte sind nur für eins nütze: Tod und Zerstörung. Gut, wenn das dann irgendwann vorbei ist, was der Ukraine u.a. dringend zu wünschen ist, dann folgt die “Wiederaufbaukonjunktur”, die zahlreiche ungebetene kapitalistische Nutzniesser*innen anziehen wird. Was diese Konjunktur zuvor an Kosten verursacht hat, das will, wenn es so weit ist, lieber niemand ausrechnen – “Reparationen” führen doch zu nichts (für die, die sie moralisch zahlen müssten).
Nach der Zerstörung des “Westens”
Fischer in der “Zeit”: “…das Ende des Westens besiegelt. … Der Westen ist beendet, und zwar von innen heraus, nicht durch eine auswärtige Macht.” Darin stimme ich ihm zu. “Das ist ein unfassbarer Vorgang.” Bei der Intelligenz, die ich ihm unterstelle: nö, keineswegs. Mit dem, was jetzt politisch programmiert wird, wird noch mehr zerstört.
Das Wichtigste ist zweifellos die klimatische menschliche Bewohnbarkeit unseres Planeten. Sie ist nur durch globale Kooperation zu retten. Die Politiker*innen aller dafür relevanten Staaten, ob demokratisch gewählt oder nicht, entfernen sich immer weiter davon. Ein guter Grund, sie zu stürzen. Wer fängt an?
Zerstört von “eigener” Hand wird die nach dem zweiten Weltkrieg mühselig und kampfintensiv geschaffene europäische Sozialordnung, so morsch sie sich auch in der Praxis oft erwiesen hat. Die alten Kolonialmächte, jahrhundertelange Profiteure von Ausbeutung, Völkermorden und Sklaverei, geben sich als beleidigte Opfer und mauern sich ein. Alle Menschen meines Alters, die fidelen “Boomer*innen”, müssen als erstes sofort den Gedanken streichen, als gebrechliche Alte noch von irgendjemand den Arsch abgewischt zu bekommen. Niemand da – ganz sicher.
Die heute Herrschenden wissen das längst schon ganz genau. Ihre Lösung:
Eva-Maria Weiß/heise: “Unregulierte Tech-Tests: Thiel, Altman und Co wollen Freedom Cities – Im Weißen Haus sollen Gespräche geführt werden, wie man Freedom Cities in den USA errichten kann – Städte ohne Regulierung.” Freiheit ist für sie gleich Beseitigung des Rechtsstaates – “Freedom Cities” = klassischer Orwell. Zunächst wurde das in mittelamerikanischen Banananerepubliken getestet, und stiess dort auf nervenden Widerstand. Aber nun mit Elon und Donald an den Gesetzeshebeln muss mann nicht mehr so weit reisen.
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