Nicht die angeblich “psychisch Kranken” sind das Problem, sondern die “normalen” Herrschenden

“Dr. Google” ist mutmasslich derzeit der populärste Hausarzt. Mit ihm realisiert eine Mehrheit potenzieller Patient*inn*en das Einsparen anstrengender lästiger Wartezimmerzeiten. Denn wer kennt mich besser als ich? Siehste. Medizinische Fachleute raufen sich darob die Haare. Besser wäre, sie untersuchten, welchen Anteil ihre eigene Berufspraxis sowie die Ökonomie des Systems, in dem sie arbeiten, an dieser Tatsache hat.

Unter diesen Vorzeichen liest sich Carla Siepmanns/netzpolitik-Kolumne realistisch und aktuell: Scrollen bis zur Diagnose – Immer mehr Menschen denken, ihr eigenes Verhalten sei krankhaft. Und selbsternannte ‘Mental-Health-Coaches’ sind plötzlich einflussreicher als ausgebildete Therapeut:innen. Das aber hat weniger mit TikTok als mit unserer schlechten Gesundheitsversorgung zu tun. Und damit, was wir für krank erachten.”

Heisst: im Wettbewerb der oligarchisch geführten asozialen Medien holt “Dr. TikTok” gegenüber “Dr. Google” auf. Sie werden schon deswegen nicht durch echte Mediziner*innen ersetzt, weil die deutschgeführte EU keine mehr reinlässt. Darum diagonstizieren und therapieren sich die Patient*inn*en jetzt selbst. Das ist es, was Donald Trump & Oligarchen-Friends sich unter “Gesundheitswesen” vorstellen.

Die “Kranken” sind im Kern die Vernünftigen. Ihr Körper und ihr Stoffwechsel registrieren ganz rational und folgerichtig, wohin die derzeitigen Staatsmänner und ihre ökonomischen Strippenzieher die Welt führen. William D. Hartung/TomDispatch/overton: Die Militaristen des neuen Zeitalters – Alex Karp, der CEO des umstrittenen Militärtechnologieunternehmens Palantir, ist Mitverfasser eines neuen Buches, ‘The Technological Republic: Hard Power, Soft Belief, and the Future of the West’. Darin plädiert er für einen neuen Sinn für nationale Ziele und eine noch engere Zusammenarbeit zwischen der Regierung und dem Technologiesektor. Sein Buch ist in der Tat nicht nur ein Bericht darüber, wie man technologische Innovationen ankurbeln kann, sondern ein ausgesprochen ideologisches Traktat.”

Diese Kerle sind es, die dringend professioneller Hilfe bedürfen, stattdessen globale Konzerne und willfährige Regierungen steuern. Und übrigens kein Zufall, dass diejenigen deutscher Herkunft hier so massiv überrepräsentiert sind, wie sie es schon in den Verbrechen vergangener Weltkriege waren.

Auch der nach unserem Land benannte Deutschlandfunk gibt sich immer mehr Mühe, diesem Klischee gerecht zu werden. Zum Ukrainekrieg diskutieren heute nach den 10-Uhr-Nachrichten – ausgewogener gehts wohl nicht mehr – Vertreter der Bundestagsfraktionen von CDU, AfD und FDP (ja, Letztere hat eine Bundestagsfraktion – noch ein paar Tage). Was bin ich froh über meine Mediendiät.

Mein Tipp, wenn Sie sich krank und “verrückt” fühlen: flanieren Sie auf dem Beueler Rheindeich. Nach einem mässigen kleinen Regenschauer spriessen erste Grasbüschel in die Höhe und die Vogelwelt präsentiert ein sinfonisches Konzert. Wenn die Sonne auf ihr verführerisches Strahlen vorübergehend verzichtet, nimmt die Zahl der irren Radrennfahrer*innen sogleich massiv ab (und der Hangelarer Fluglärm ebenso), und die ruhigen ausgeglichenen Fussgänger*innen erringen eine angenehm klare lokale Mehrheit. Wo ist es besser als hier?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net