Gendern mal nicht erforderlich
Harald Staun ist Medienredakteur der FAS, der Sonntagsausgabe der FAZ, die aber aus Kostensenkungsgründen immer schon am Samstag beim Bäcker liegt. Er unterscheidet sich wohltuend von dem missionarischen Kreuzzügler für die Interessen der deutschen Verlagsmilliardär*inn*e*n, der an Werktagen das Medienressort der FAZ betreut. Und so hat der kluge Staun die Urheberrechte an dem Schrifttum des Evgeny Morozov für die FAZ-Verlagsgesellschaft gesichert. Die hat das in ihrem ureigensten Interesse digital eingemauert. Ich will Ihnen aber kostenfrei verraten, was Mr. Morozov mitgeteilt hat.
Mr. Morozov setzt sich, wie es fast alle denkenden Menschen zu tun versuchen, mit den Interessen und Antrieben jener Superreichen auseinander, die sich zum Bündnis mit den Trump-Faschisten entschlossen haben oder ihm sogar beitreten. “Es kann einem ganz schön schwindlig werden” – wer wollte dem widersprechen. Namentlich nennt er die Herren Altman, Andreessen, Sacks, Musk, Bezos, Schmidt, Karp, Luckey, Thiel und Gates. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit. All diesen famosen Herren sei die “Subtilität von Güterzügen” eigen, gerade in den USA ein Bild aus sehr, sehr alter Vergangenheit.
Investments sind im Weltbild dieser Herren, die sich anschicken, den Kapitalismus endgültig und endsiegig zu “modernisieren”, ein “Schlachtfeld”, “Investmentfonds …, die gleichzeitig als ideologische Festungen dienen”. In Europa reichlich naiv propagiertes “ethisches Investment” ist für Peter Thiel “Kommunismus”. Schön wärs, aber die Herren leben in einer abgeschlossenen eigenen Welt, die sich als Schwäche erweisen wird.
Der Habermasssche “Strukturwandel der Öffentlichkeit” bedeutet für diese Herren, wie schon für die gestrigen Verlagsoligarchen a la Springer oder Berlusconi: sie kaufen sie einfach, egal ob aus Holz oder digital. Und aus dieser Machtposition schreiben sie, so Morozov, “nichts vor” sondern gerieren sich als Übermittler eines “Evangelium der Unvermeidbarkeit”. Unterhalb biblischer und messianischer Kategorien tun es die Herren nicht … Sie “verlangen nun, dass wir uns an die Vorhersagen halten”.
Was den Herren so gar nicht passt, ist, dass sie für die Zwecke ihrer ungehemmten Bereciherung immer noch echte Menschen als Arbeitskräfte (Programmierer*innen, Moderator*inn*en, Ingenieur*inn*e*n u.v.m.) benötigen. “Die Oligarchen sahen sich von innen heraus in einen Hinterhalt gelockt – ihre Legionen weigerten sich plötzlich, die Blutmaschinen des Pentagons oder die Abschiebeanweisungen des ICE mit technischen Kunstfertigkeiten schick zu machen.” Klassenwidersprüche gefallen ihnen gar nicht. Die “Wokeness” hatte die Hirne ihrer arbeitenden Massen verseucht.
Da kam Donald Trump gerade richtig. Wer falsch denkt, redet oder sogar handelt, wird gefeuert. Doch das entpuppt sich laut Morozov als Schwachstelle: “Die Fähigkeit, die Realität zu verbiegen, untergräbt sich paradoxerweise selbst, weil in den Echokammern auch unentbehrliche Kritik erstickt” Ihre Gegenstrategie lautet: “Warum sollte man Vorhersagen an die Realität anpassen, wenn man die Realität verbiegen kann, um die Vorhersagen zu bestätigen? … Die Kollision zwischen den Phantasien des Risikokapitals und hartnäckigen Fakten lässt sich vermeiden, wenn man die Hebel besitzt, um die Fakten selbst umzugestalten. “ Gar nicht so schwer, die Strategie von Trump, seinen Brüdern und Cousins im Geiste, zu entschlüsseln.
Morozov sieht das Bündnis von Trumps MAGA-Koalition und den Silicon-Valley-Oligarchen damit auf dem intellektuellen Niveau der untergegangenen Sowjetunion, und somit noch dümmer als die Kommunistische Partei Chinas, die über “raffiniertere Methoden” zum Kontakt mit der Realität da draussen verfüge.
Und wo ist die Gegenwehr?
Eine typisch deutsche Frage. Wenn Millionen von US-amerikanischen Demokrat*inn*en Widerstand leisten, ob in Betrieben oder auf der Strasse – deutsche Medienkonsument*inn*en bemerken nichts davon. 2,8 Mio. waren noch nie im Internet. Und die Mehrheit, die es nutzt, hat nicht gelernt, es für eigene Interessen zu nutzen, sondern lässt sich von den o.g. Milliardären benutzen. Wenn nicht mit Geld, dann mit der Herausgabe unbegrenzter persönlicher Daten.
Doch es gibt sie, die Gucklöcher. Ex-Jungdemokrat Lars Quadfasel/Jungle World hat aufgeschrieben, was er da gesehen hat: “Bei den Massenprotesten gegen die US-Regierung prägen ältere Angehörige der Mittelschicht das Bild: Die Schockstarre löst sich – Unter dem Motto #HandsOff haben in den USA landesweit schätzungsweise drei bis fünf Millionen Menschen gegen die Sozial- und Wirtschaftspolitik der Regierung Donald Trumps demonstriert.”
Morozovs sprachliche Bemühungen mag ich nicht: Blockchain-Imperium, Staatsbürgerschaft à la carte, ozeanische Plattformen, planetarische Blaupausen, rauflustiger David, verschwenderische Goliaths, Papperlapapp. Er hat offenbar keine IT-technische Ausbildung erhalten und täuscht ein Bescheidwissen vor, um fehlende Fachkompetenz auszugleichen. Mit dieser Art von Kritik verstärkt der Autor die Bewunderung der Tech-Milliardäre, anstatt sie zu entmystifizieren. Die vermeintlich tollen Wunderprodukte, Tesla, Paypal, Twitter, ChatGPT, sind technisch gesehen alles andere als Geniestreiche.
Ein E-Auto zu bauen, ist eine starke Simplifizierung der Antriebstechnik. Es ist SO TRIVIAL (und folglich auch billig), dass sich kaum Profite damit erzielen lassen. Eben das ist das Problem der Automobilkonzerne. Deshalb wollen sie das nicht. In diese Lücke ist Musk hineingestoßen, ein pfiffiger Unternehmer und noch pfiffigerer Subventionsabgreifer.
Paypal wurde als weitgehend anonymes Bezahlmittel für die Internetpornografie entwickelt. Das hätte jederzeit eine Handvoll indischer oder chinesischer Programmierer auch machen können, aber deren Umgebung ließ es nicht zu. Bitcoins sind digitale Kettenbriefe, die mit großem Aufwand verschleiern, dass sie Kettenbriefe sind.
Twitter, Facebook und der ganze asoziale Dreck: eine Kommunikationstechnik auf primitivem Niveau (von TikTok noch unterboten). Gerade deswegen sind sie so erfolgreich. Sie beruhen auf Datenbank-Nutzungen, die nur in einer Hinsicht anspruchsvoll sind – die Datenmengen sind quantitativ riesig. Die Erfindung der relationalen Datenbank (die wirklich eine Leistung war) liegt schon ein paar Jahrzehnte zurück. Alles was hier technologisch neu dazu kam, ist, dass die perfekten Abfragetechniken, von denen die aozialen Plattformen nur ein Minimum nutzen, nun auch in riesigen Datenbanken effizient möglich sind.
Wenn einer dieser “Intellektuellen” US-Eliteuniversitäten als marxistische Seminare darstellt, die „amerikahassende Kommunisten“ hervorbringen, dann ist über sein geistiges Niveau alles gesagt. Oder fast: Ich möchte noch hinzufügen, dass nicht jeder Autist ein Mathematiker ist, nicht jeder Kiffer ein Guru und auch nicht jeder Fascho ein “Führer”. Das sind minderbemittelte Figuren, die zu ihrem derzeitigen Präsidenten passen.
Kein Wunder, dass das Foto von Thiel und Graeber in der FAS die beiden Herren in einer öffentlichen Leihbibliothek zeigt (siehe die Katalognummern auf den Buchrücken). Eigene Bücher brauchen die nicht.