Am 1. Juni konnten wir zum 20. Mal den „UNESCO-Welterbetag“ begehen. Die UNESCO will an diesem Tag einen Blick hinter die Kulissen der Welterbestätten ermöglichen. Alle 54 Welterbestätten in Deutschland boten Sonderführungen, Ausstellungen, Konzerte, Diskussionen, Mitmachaktionen und einen Fotowettbewerb an. Der Tag stand unter dem Motto „Vermitteln, verbinden, begeistern – 20 Jahre UNESCO-Welterbetag“ und soll das Verständnis für unser Kultur- und Naturerbe vertiefen. Bestandteil ist u.a ein zentrale Veranstaltung in einer der deutschen Welterbestätten. Die Initiative zur Schaffung dieses Welterbetags stammt von der Deutschen UNESCO-Kommission, er wird seit 2005 am ersten Sonntag im Juni begangen.
Schon deutlich länger, nämlich seit November 1972, besteht das „Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“. 196 Staaten haben diese Konvention bislang ratifiziert, Deutschland im Jahre 1976. Seitdem erklärt die UNESCO hervorragende Bauwerke, Naturwunder und andere einzigartige Stätten, aber z.B. auch Dokumente der Erdgeschichte, ökologische Einmaligkeiten oder bedrohte Lebensräume zum Weltkultur- oder Weltnaturerbe. Sie sollen als Teil des gemeinsamen Erbes der Menschheit erhalten bleiben.
Die Welterbeliste umfasst inzwischen 1223 Stätten in 168 Ländern. Davon sind 952 Weltkuturerbe, 231 Weltnaturerbe und 40 fallen unter beide Rubriken. Etliche Staaten sind nur mit einem einzigen Kultur- oder Naturerbe aufgelistet, 28 gar nicht. Die Welterbeliste enthält keineswegs nur Bauwerke, vergleichbare Stätten und kulturelle Errungenschaften, sondern zum Beispiel auch Unterwasserkulturerbe, Weltdokementenerbe, immaterielles Kulturerbe, globale Geoparks und Biosphärenreservate. 40 Welterbestätten sind grenzüberschreitend. Welterbe sind auch die japanische, die mexikanische und die französische Küchenkultur und das belgische Bier. Aus Italien ist bislang nur die Pizza anerkannt.
Den Anstoß zur Schaffung der Welterbekonvention gab der Aufruf der UNESCO vom 8. März 1960, die durch den Bau des Assuan-Staudamms vom Nil bedrohten Denkmale in Nubien für die Nachwelt zu retten. Als Lösung wurden die Tempel von Abu Simbel und Philae abgetragen und 180 m landeinwärts an einer 64 m höher gelegenen Stelle wieder aufgebaut. Diese technische Meisterleistung kostete ca. 80 Millionen US-Dollar.
Ein weiterer Bestandteil des Welterbeübereinkommens ist die sogenannte „Liste des gefährdeten Welterbes“ mit derzeit 56 Objekten. Dabei handelt es sich um Welterbestätten, die durch Krieg, Naturkatastrophen, Umweltbelastungen, Baumaßnahmen oder ähnliche Gefährdungen ernsthaft bedroht und für deren Erhalt besondere Schutzmaßnahmen erforderlich sind. Beispielhaft kann man die Altstadt von Jerusalem, ein historisches Minarett in Afghanistan und den Nationalpark Virunga im Kongo nennen.
Aus der Antike sind die sieben Weltwunder bekannt – jedoch sind nur noch die Pyramiden in Ägypten erhalten. Am 7.7.2007 wurden in einer öffentlichen Wahl mit vielen Millionen Stimmabgaben die sieben Weltwunder der Neuzeit ermittelt: die Felsenstadt Petra in Jordanien, das Taj Mahal in Indien, die Chinesische Mauer, die Inkastadt Machu Picchu in Peru, das Kolosseum in Rom, die Maja-Stadt Chichén Itzá in Mexiko sowie die Christusstatue in Rio de Janeiro. Das deutsche Schloss Neuschwanstein landete auf Platz acht. Weitere weltbekannte Bauwerke im Endausscheid waren der Eiffelturm in Paris, die Freiheitsstatue in New York, die Alhambra in Granada, die Akropolis in Athen, die Hagia Sophia in Istanbul, Angkor Wat in Kambodscha und das Opernhaus von Sdyney.
Der Kaiserdom zu Aachen war 1978 das erste deutsche Weltkulturerbe. Als bisher letzte Objekte wurden 2024 die Siedlungen der Herrenhuter Brüdergemeinde sowie das Residenzensemble Schwerin ausgezeichnet. Deutschland ist jedoch auch eines von zwei Ländern, denen ein Welterbetitel aberkannt wurde. 2009 wurde das Dresdner Elbtal wegen des umstrittenen Baus der Waldschlösschenbrücke von der Liste der Weltkulturerbestätten gestrichen – eine kulturpolitische Blamage für Deutschland. Der Streit landete sogar vor dem Bundesverfassungsgericht. Dies entschied, dass die Welterbekonvention „nach Konzeption und Wortlaut keinen absoluten Schutz gegen jede Veränderung bietet.“
Auch beim Kölner Dom, der seit 1996 Weltkulturerbe ist, war der Welterbestatus gefährdet. Die UNESCO hatte ihn bereits auf die Rote Liste der bedrohten Stätten gesetzt, da in seiner Sichtachse mehrere Hochhäuser geplant waren. Der Rat der Stadt Köln entsprach jedoch weitgehend den Forderungen der UNESCO und strich die umstrittenen Hochhauspläne. Alternativlösungen fanden die Zustimmung der Welterbe-Kommission.
Über die Eintragung zusätzlicher Kultur- oder Naturstätten in die Welterbeliste entscheidet jährlich das von der UNESCO eingerichtete internationale Welterbekomitee mit 21 Mitgliedern. Für diese Wahlen können alle Mitgliedstaaten Vorschlagslisten einreichen. Deutschland beteiligt sich regelmäßig daran und hat eine Reihe von Projekten vorgelegt. Das Welterbekomitee überwacht auch den Erhaltungszustand der Kulturstätten, um sie notfalls als ‘Welterbe in Gefahr’ einzustufen.
Die deutschen Vorschläge werden zunächst gemeinsam von der vorgesehenen Welterbestätte und dem Denkmalressort des zuständigen Bundeslandes bearbeitet, dabei nimmt die Deutsche UNESCO-Kommission eine beratende Funktion war. Die Kultusministerkonferenz führt die verschiedenen Vorschläge zusammen und legt die dem UNESCO-Welterbekomitee zur Entscheidung vor. Deutschland war bereits mehrfach Mitglied dieses Komitees, die Wahl erfolgt in der Regel für vier bis sechs Jahre.
Unter den deutschen Vorschlägen sind die Schlösser König Ludwigs II. von Bayern, die Waldsiedlung Zehlendorf, die Franckeschen Stiftungen zu Halle, die Schlosskapelle in Torgau, die europäischen Papiermühlen, die Fundstätte der Schöninger Speere, das Pretziener Wehr, alpine und voralpine Wiesen-, Weide- und Moorlandschaften im Werdenfelser Land, Staffelseegebiet und Ammergau, der Jüdische Friedhof Hamburg-Altona, das Grüne Band, der Fernsehturm Stuttgart und der Olympiapark München. Zwei Vorschläge sollen gute Chancen haben.
In Deutschland stehen 51 Kultur- und 3 Naturstätten auf der UNESCO-Welterbeliste (Anhang). Darunter finden sich architektonische und künstlerische Meisterwerke, vielfältige Kulturlandschaften und Parks, einzigartige Naturgebiete und Zeugnisse gesellschaftlicher und technischer Entwicklung. In ihrer Gesamtheit zeugen sie von der Vielfalt des Natur- und Kulturraums Deutschland. Deutschland ist hinter Italien und China das Land mit den meisten Weltkulturerbestätten.
Einige Beispiele können die Vielfalt verdeutlichen: Aachener, Kölner und Naumburger Dom, Wikingersiedlungen an der Ostsee, Luthergedenkstätten, Rhein- und Donau-Limes, Würzburger Residenz, Prähistorische Pfahlbauten, römische Baudenkmale in Trier, Eiszeitkunst in der Schwäbischen Alb, historische Altstädte in Bamberg, Dessau, Erfurt, Weimar, Lübeck, Regensburg, Speyer, Worms und Mainz.
Ein besonders großes und zudem grenzüberschreitendes Weltnaturerbe ist das Wattenmeer an der Nordsee. Dazu gehören das niedersächsische, das schleswig-holsteinische, das hamburgische Wattenmeer und Teile des niederländischen und des dänischen. Damit umfasst dieses Gebiet 11.500 qkm mit einer Küstenlänge von rund 500 Kilometern.
Gleichfalls international sind die Buchenwälder Europas. Mit 94 Buchenwaldschutzgebieten in 18 Ländern umfasst es so viele Teilgebiete wie kein anderes Naturerbe. Beteiligt sind Albanien, Belgien, Bosnien + Herzegowina, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Italien, Kroatien, Nordmazedonien, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Schweiz, Tschechien und Ukraine.
Die Auflistung hervorragender Bauwerke, Naturwunder und anderer einzigartiger Stätten in der UNESCO-Liste des Weltkultur- oder Weltnaturerbe soll diese als Teil des gemeinsamen Erbes der Menschheit bewahren, ihre Vielfalt dokumentieren, Bewusstsein und Verständnis schaffen und sie erlebbar machen. Sie richtet sich nicht nur an die vielen Besucher/inen, sondern auch an die Bewohner/innen, die mit Stolz auf „ihr“ Welterbe blicken und ihren Teil zum Erhalt beitragen können.
Es gibt kaum ein Welterbe, mit dem nicht geworben wird, das nicht „vermarktet“ wird. Zum Beispiel gibt es touristische Hinweistafeln und Autobahnschilder. Nicht nur am Tag des Welterbes, an dem besondere Aktivitäten geboten werden, lassen sich viele Menschen von der Einzigartigkeit unseres Kulturerbes faszinieren. Der Titel Welterbe schützt demnach nicht nur die Kultur- und Naturstätten, sondern lockt auch Besucher/innen an.
Gemeinsam mit der Deutschen Tourismuszentrale, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, den lokalen Tourimus-Organisationen und Vertreter/innen der jeweiligen Welterbestätten arbeitet die Deutsche UNESCO-Kommission als Dachorganisation für Werbung und Vermarktung. Inzwischen gibt es sogar Reiseveranstalter, die Fahrten zu einzelnen oder mehreren Welterbestätten anbieten.
Der Einfluss des Welterbetitels auf die Besucherzahlen ist nicht statistisch messbar. Diese hängen von der Lage, der Erreichbarkeit und der Popularität des Objektes ab. Einige Stätten verzeichneten jedoch nach der Auszeichnung einen deutlichen Anstieg der Gästezahlen. Ein Ranking über die beliebtesten 30 Ziele sieht Lübeck auf Platz 2 und den Kölner Dom auf Platz 10. An der Spitze der Attraktivität liegt die Verbotene Stadt in China mit 14 Millionen Gästen im Jahr.
Anhang: Deutsche Weltkultur- und Weltnaturerbe
Aachener Dom # Ungarnkapelle in Aachen # Alte Buchenwälder und Buchenurwälder # DAS Arrchitektonische Werk von Le Corbusier # Archäologischer Grenzkomplex Haithabu und Danewerk # Augsburger Wassermanagement System # Bamberger Altstadt # Bauhaus und seine Stätten in Weimar, Dessau und Bernau # Bedeutende Kurstädte # Bergpark Wilhelmshöhe # Bergwerk Rammelsberg # Altstadt von Goslar # Oberharzer Wasserwirtschaft # Bocksteinhöhle # Schloss Corvey # Darmstädter Künstlerkolonie Mathildenhöhe # Dessau-Wörlitzer Gartenreich # Dom und Michaeliskirche in Hildesheim # Donaulimes # Fagus-Werk # Fürst-Pückler-Park Bad Muskau # Grenzen des Römischen Reiches # Grube Messel # Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb # Jüdisch-Mittelalterliches Erbe in Erfurt # Klassisches Weimar # Kloster Lorsch # Kloster Maulbrunn # Kölnder Dom # Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal # Lübecker Altstadt # Luthergedenkstätten in Eisleben und Wittenberg # Markgräfliches Opernhaus # Montanregion Erzgebirge # Museumsinsel Berlin # Naumburger Dom, Niedergermanischer Limes # Obergermanisch-Raetischer Limes # Prähistorische Pfahlbauten an den Alpen # Quedlinburg # Altstadt von Regensburg mit Stadtamhof # Insel Reichenau # Residenzensemble Schwerin # Römische Baudenkmäler, Dom und Liebfrauenkirche n Trier # Schlösser Augustusburg und Falkenlust # Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin # Gemeindezentren von Speyer, Worms und Mainz (Schum) # Siedlungen der Berliner Moderne # Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeinde # Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus # Speyrer Dom # Völklinger Hütte # Wartburg # Wattenmeer # Wieskirche # Würzburger Residenz # Zeche Zollverein.
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