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TAZ – im Kapitalismus angekommen

Die linksalternativ gegründete “Tageszeitung” aus Berlin erschien heute zum letzten Mal als Print-Ausgabe, Diese wird es ab kommender Woche nur noch samstags in der Wochen-TAZ geben. Die Gründe für die Abkehr vom Printmedium sind vielfältig, vorherrschend sind aber die Digitalisierung und vor allem der Abzug von Werbegeldern vom Zeitungsmarkt in die (a)sozialen Netzwerke, die dank illegaler Datenschnüffelei und der dadurch ermöglichten personalisierten Werbung den traditionellen Printmedien schleichend den Garaus machen.

Mit gravierenden Folgen für die demokratische Öffentlichkeit in der gesamten westlich-kapitalistischen Welt. Wer nun von der ehemals als “linksalternativ-ökologisch” gestarteten TAZ erwartet hätte, dass sie den durchaus spektakulär inszenierten Rückzug für eine Kampagne zur Aufklärung über die Ursachen nutzen würde, sieht sich heute schmählich enttäuscht. Zeitungsmachen werde halt immer teurer, hieß es da, die Druckerpreise steigen und vor allen Dingen die Verteilernetze, sprich Zeitungsboten, die zu noch nachtschlafender Zeit die Printprodukte in die Briefkästen steckten, seien kaum noch bezahlbar. Nicht zuletzt, setzte der Bundesverband der Zeitungsverleger im WDR hinzu, weil sich der Mindestlohn auch auf die Zusteller auswirke. Die Entscheidung der TAZ, so verkaufte es die Finanzchefin der TAZ in der ARD, sei ein Schritt in die Modernisierung und Anpassung der Lesegewohnheiten, die eingesparten Kosten flössen weiter in guten Journalismus.

Kein kritisches Wort zu den gesellschaftlichen Folgen

Dass es seit etwa eineinhalb Jahrzehnten weltweit ein massives Sterben der Printmedien, insbesondere der Tageszeitungen gibt, dass die massiven Umschichtungen der Werbegelder zusammen mit der Pressekonzentration in der Hand von Medienmogulen wie Silvio Berlusconi, Axel Springer und Rupert Murdoch in der nahen  Vergangenheit bereits zu einer Einschränkung der Meinungsvielfalt und journalistischen Qualität geführt haben, kommt bei der Ursachenanalyse gar nicht vor. Vom hinzugekommenen politischen Druck auf Verlegerinnen und Verleger und Medien durch Despoten wie Recep Tayyip Erdogan, Donald Trump, oder Antidemokraten wie Viktor Orban, Polens Ex-Präsident Kaczyński oder Georgia Meloni gar nicht zu reden.  So bleibt es einem gestandenen Sozialdemokraten und langjährigen Experten der Materie, der schon Bundeskanzler Helmut Schmidt die Medienlandschaft analysierte vorbehalten, in seinem Artikel “Butter bei die Fische” zu tun und die Hintergründe der Gefährdung der Medienöffentlichkeit aufzuzeigen. Wolfgang Liebs Essay ist aktuell in “Uns das Grundgesetz aneignen, Band 2: Grundrechte in der digitalen Gesellschaft” unter dem Titel “Wandel des Mediensystems, – Wie könnte eine demokratische Alternative zur Macht der Internet-Ologopole aussehen?” erschienen .

 

 

Über Roland Appel:

Avatar-FotoRoland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Avatar-Foto
    Martin Böttger

    Die vollkommen korrekte Analyse zu diesem Vorgang gibt es hier in weniger als zwei Minuten von Jürgen Becker und Didi Jünemann:
    https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr2/wdr2-kabarett/audio-becker–juenemann-diagonal-digital-100.html

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