Was sagt es mir, wenn einer von Deutschlands besten Medienjournalisten, Stefan Niggemeier/uebermedien, sich an einem reimenden Peter Voss abarbeitet? Ich weisses nicht, sagen Sies mir. Woher nimmt der Gute nur die Zeit? Da ist das Sujet von David Goeßmann/Junge Welt schon angemessener: “Klimawandel: Kein Thema – Nur rund ein Prozent der TV-Talkshows von ARD und ZDF befassten sich in diesem Jahr mit der Klimakrise. Über den Klimablackout der deutschen Medien”. In wenigen Tagen digital eingemauert (= “linke Medienpolitik”).
Goeßmann hat telepolis schon wieder verlassen. Warum weiss ich nicht. Viele interessante Texte finde ich dort nicht mehr. Doch, sein Thema “Klima” ist zweifellos wichtig.
Die von ihm erwähnte “Klima vor 8”-Debatte hat einen weitgehend geheim geblieben Ansatz in der Wirklichkeit. Jeden Freitag sendet die ARD nämlich vor der Tagesschau eine “Klimazeit”. Die beim SWR angesiedelte Redaktion arbeitet im Rahmen ihrer Möglichkeiten ordentlich. Nur wird sie nicht im ARD-Programm linear verbreitet, sondern bei tagesschau24. Nichts spräche dagegen, die gleiche Arbeit mit mehr Ressourcen täglich zu machen, und sie so zu verbreiten, dass die Öffentlichkeit sie auch bemerkt.
Aber wie wichtig sind noch die von Goeßmann behandelten und kritisierten Medien? Das von ihm halluzinierte “Millionenpublikum” (“Millionen” = Plural!) ist nämlich schon weg. Was-mit-Medien-Menschen wollen es nicht bemerken, weil es für sie selbst eine brutale Bedeutung hat – sie, auch die, die drüber schreiben und kritisieren, sind ebenfalls immer weniger wichtig. Niemand nimmt sie zur Kenntnis – ausser ihre Artgenoss*inn*en. Die von Goeßmann inhaltlich völlig richtig kritisierten Talktrashs können Billigsekt-Flaschen köpfen, wenn sie nennenswert über 1 Mio. Zuschauer*innen ins Quotenrennen einlaufen. Ebenso die genannten ehemaligen (!) “Leitmedien”. Das war einmal, und sie sind noch nicht gestorben.
Ich zitiere dazu seinen Kollegen Thomas Pany/telepolis, der auf mich seit dem Rötzer-Weggang dort den Eindruck innerer Emigration vermittelt, und verarbeiten “muss”, was ihm die Chefredaktion auf den Schreibtisch wirft:
“Selbst erfolgreiche deutsche Nachrichtenseiten wie spiegel.de erreichen zwar 29 Millionen Nutzer monatlich, diese verbringen dort aber nur 18 Minuten im Monat – gerade einmal eine halbe Minute täglich. Bei der Süddeutschen Zeitung sind es sogar nur neun Minuten monatlich, wie Telepolis unter Berufung auf Martin Andrees Forschung berichtete. ARD-Vorsitzender Florian Hager warnt laut Presseportal: ‘Wir erleben gerade eine Erschütterung gewachsener medialer Strukturen: Demokratien werden weltweit politisch angegriffen, KI-Agenten torpedieren Ausgewogenheit, Tech-Konzerne bestimmen in ihren Monopolen den Blick der Menschen auf die Welt.'”
Die genannten Daten zu Verweildauern kann ich für mich bestätigen. Ich besuche diese Seiten täglich, um zu wissen, welche Themen sie setzen. Lesen tue ich in den seltensten Fällen, immer mit Hilfe von Paywallbohrern. Keine Sensation: wer sich selbst einmauert, wird nicht mehr bemerkt. Besonders steil ist der Absturz für den krisengebeutelten Spiegel (die letzte Verlagsleitung hat wieder hingeschmissen), der einst deutscher Internetmarktführer war …
Was für ein Sack Reis das “Bündnis” der ARD mit den Zeitungsmilliardär*inn*en ist, hat Christian Bartels/MDR-Altpapier mit sehr gemässigtem Sarkasmus eingeordnet:
“Brachiale Ökonomisierung – Beim Privatsender RTL fällt nicht nur die Weihnachtsfeier aus, sondern fallen auch 600 Arbeitsplätze weg. Die ARD und die Presseverbände appellieren überraschend gemeinsam. Und der Appell ‘Liebe ARD, vergeigt es jetzt bitte nicht in Sachen Sparen’ verdient auch Aufmerksamkeit.”
Ich urteile härter. Die Entscheidung der ARD, mit den Verleger*inne*n gemeinsame PR-Sache zu machen, ist eine strategische Fehlentscheidung. Wer sich fast schon freiwillig die Publikation von Texten verbieten lässt, was will der noch? Oder die?
Der Fuchs ist schon längst im Stall und frisst sich durch. Peter Voss war auch so einer …
Dann lieber Fussball
Das Publikum hat andere Interessen. Vorgestern spielten die besten Fussballerinnen der Welt (Spanien) 3:0 gegen die Deutschen, leistungsgerecht. 4 Mio. guckten zwischen 18 und 20 h zu. Nur eine Million mehr waren es dann zur besten Sendezeit bei den Männern (BVB-Bayermonsanto 0:1). Dann lieber gegen St. Pauli verlieren.

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