Herbert Reul hat gestern seinen Sommerausrutscher gelandet. Er will, dass jetzt immer die Nationalität des Verdächtigen bei mutmasslichen Straftaten öffentlich bekannt gegeben wird. Ob das zulässig wäre, ist mehr als umstritten: Artikel 9 der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung besagt, dass nach Absatz 1 ein besonderes Verarbeitungsverbot gilt: 1. Für rassische und ethnische Herkunft, 2. politische Meinungen, 3. religiöse und weltanschauliche Überzeugungen, 4. Gewerkschaftszugehörigkeit, 5. genetische Daten, 6. biometrische Daten zur eindeutigen Identifizierung, 7. Gesundheitsdaten, 8. Daten über Sexualität, sexuelle Orientierung. All diese Daten sind nach der EU-DSGVO besonders geschützt.  Um sie verarbeiten zu dürfen, bedarf es einer besonderen Rechtsgrundlage. Dies gilt zwar zunächst nur für die Privatwirtschaft und nicht für die Sicherheitsbehörden, aber der offensichtlich gewollte besondere Grundrechtsschutz der DSGVO für die Individualrechte impliziert, dass es auch kein unbeschränktes Recht des Staates geben kann, derart in Grundrechte der Betroffenen einzugreifen, dass bei Straftaten oder Rechtsverstößen grundsätzlich die Nationalität als schützenswertes Datum der Öffentlichkeit mitgeteilt wird.

Die Begründung von Herbert Reul, man wolle mit “Transparenz” dem Missbrauch von solchen Informationen vorbeugen, verkennt das, was auf den Seiten (a)sozialer Netzwerke, namentlich solcher der AfD und anderer Neonazi-Foren stattfindet: Hier werden Herkunft und Abstammung von Tätern oder vermutlichen Tätern als Begründung für rassistische und fremdenfeindliche Vorurteile und Maßnahmen missbraucht. Wenn Herbert Reul diese Wirkung seiner “Veröffentlichungen” abstreitet, ignoriert er die Warnungen seines eigenen Verfassungsschutzchefs Burkhard Freier, der wiederholt vor dem Missbrauch von Herkunftsbezeichnungen von Straftätern in der Öffentlichkeit gewarnt hat.

Dass dieser Vorstoß nun zur Unzeit kommt, ist kein Zufall: Wahrscheinlich meint Reul, er könne mit der Provokation dieser an Rassismus grenzenden Diskussion von seinen Problemen mit dem Hambacher Forst und den windigen Gutachten zur Räumung desselben ablenken. Das sollte ihm nicht gelingen. Der Rechtsstaat ist nicht teilbar. Schon gar nicht durch den NRW-Verfassungsminister, auf den jeder Zweifel an Rechtsstaatlichkeit zurückfällt. Die entsprechende Praxis, die es bereits in wenigen Bundesländern wie Hessen gibt, zeigt, wie missbräuchlich mit diesen Daten umgegangen wird. Dass ein mutmaßlich geistesgestörter Täter, der im Bahnhof eine Mutter und einen 8-jährigen vor einen einfahrenden ICE gestoßen hat, wobei das Kind starb, eritreischer Herkunft war, hat mit der Tat nichts zu tun. Aber es hat zu massenhaften rassistischen Posts und Hassbeiträgen auf den Seiten der (a)sozialen Netzwerke vor allem im Umfeld der AfD geführt. Reul sollte seinen Vorschlag schnell in der Schublade verschwinden lassen, denn er ist rechtlich bedenklich, nicht aufklärerisch, sondern Rassismus fördernd.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net