Fake News, Hexenjagd? Die Ausfälle des US-Präsidenten gegenüber den Medien lösen nur noch Schulterzucken aus. Aber ungefährlich sind sie nicht
Selbst die unflätigsten Beschimpfungen ermüden irgendwann, werden sie nur oft genug wiederholt. Deshalb ruft es inzwischen kaum mehr als ein Achselzucken hervor, wenn US-Präsident Donald Trump die Medien als korrupt und verlogen bezeichnet oder kritische Berichte als Hexenjagd und Fake News. Was soll’s. Offenbar kann nicht einmal der mächtigste Mann der Welt böse Kommentare verhindern. Zeugt das nicht gerade von der Stabilität des Grundrechts auf Meinungs- und Pressefreiheit in den USA? Journalistinnen und Journalisten, die in westlichen Demokratien ihre Arbeit tun, passiert doch nichts. Sie sollten nicht so wehleidig sein.
Doch. Sollten sie. Noch viel mehr sogar. Denn so wirkungslos, wie es erscheinen mag, sind die Signale von Donald Trump nicht. Sie bedrohen tatsächlich die Pressefreiheit. Weltweit.
Einen wütenden – oder vielleicht eher: verzweifelten – Artikel veröffentlichte Arthur Gregg Sulzberger, Verleger der New York Times in fünfter Generation, vor einigen Tagen. „Unsere gegenwärtige Regierung hat sich aus der historischen Rolle unseres Landes zurückgezogen, die Pressefreiheit zu verteidigen“, schreibt er. Deshalb verfolgten nun andere Länder Journalisten mit dem wachsenden Gefühl, das ungestraft tun zu dürfen. „Das ist nicht nur ein Problem für Reporter; das ist ein Problem für alle, weil auf diese Weise autoritäre Führungspersönlichkeiten wesentliche Informationen unterdrücken, Korruption verstecken, sogar Völkermord rechtfertigen.“
Nationalistische Despoten üben internationale Solidarität – mit Ihresgleichen
Wie sich die Lage seit dem Amtsantritt von Trump verändert hat, schildert Sulzberger konkret. Vor zwei Jahren erhielt die New York Times einen ernst zu nehmenden Hinweis, dass die Festnahme ihres Reporters Declan Walsh in Ägypten unmittelbar bevorstehe. Der Reporter wandte sich, wie in solchen Fällen üblich, an die US-Botschaft in Kairo. Ihm sei gesagt worden, so schilderte es Walsh jetzt, als irischer Staatsbürger solle er seine eigene Botschaft anrufen. Was er tat. Die war dann behilflich, ihn noch rechtzeitig außer Landes zu bringen.
Sulzberger zufolge war der Hinweis von einem Mitarbeiter der US-Verwaltung gekommen, der Repressalien befürchtete, sollte seine Warnung bekannt werden. Weit ist es gekommen. Gegenwärtig diskutiert die Welt darüber, ob Trump im Zusammenhang mit der Ukraine-Affäre einem Whistleblower die Todesstrafe wünscht. Im Hinblick auf freie Berichterstattung muss gar nicht mehr spekuliert werden, die Fakten liegen auf dem Tisch. Der US-Präsident hat ausländischen Spitzenpolitikern erfolgreich die Erlaubnis erteilt, das Vertrauen der Bevölkerung in ihre Medien zu untergraben, und ihnen sogar das Vokabular geliefert, mit dem sie das tun können, schreibt Sulzberger. Zu Recht.
Folgenlos bleibt das nicht. In diesen Tagen demonstrieren wieder einmal Regimekritiker auf dem Tahrirplatz in Kairo und andernorts in Ägypten. Sie brauchen Mut: Hunderte wurden getötet, Tausende sind verhaftet worden, seit General Abdel Fatah al-Sisi 2013 dort die Macht übernahm. Donald Trump bezeichnet ihn halb scherzhaft als seinen Lieblingsdiktator.
„Human Rights Watch“, eine der angesehensten Menschenrechtsorganisationen weltweit, appelliert an die EU und die USA, dem Regime keine Militärhilfe mehr zu leisten, bis sich die Menschenrechtslage in dem Land verbessert hat. Wie erfolgreich kann eine solche Kampagne sein, wenn der sogenannte Führer der freien Welt signalisiert, dass er gerne behilflich ist, kritische Berichterstattung über die Verhältnisse in einer Diktatur zu unterbinden? Ja, genau.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag. Die Zwischenüberschrift wurde nachträglich eingefügt.
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