Thomas Kistner/SZ schätze ich sehr. Er ist einer der letzten Fachjournalist*inn*en in deutschen Leitmedien, der das kriminelle Treiben grosser Sportorganisationen ebenso kritisch wie kontinuierlich verfolgt und begleitet. Bei der in diesem Geschäft üblichen Kumpanei zwischen Veranstalter*innen und begleitender PR-Herde ist das aller Ehren wert. Ehrlos dagegen ist, dass die SZ diese Analysen immer weit hinten im Sportteil versteckt und die politische Relevanz nicht erkennt – oder verbergen will.
Sie ahnen es schon – das ist ein Vorspruch für nun folgende Kritik. Giani Infantino ist ein wichtiger Mann, als Boss einer wichtigen Weltorganisation, dem Weltfussballverband Fifa. Seine Art von Weltpolitik, sein Ranwanzen an kapitalkräftige feudalistische Diktatoren und Verbrecher lässt einen Vergleich mit dem “mächtigsten Mann der Welt” zu, der möglicherweise auch nur eine Puppe dieser hochkriminellen Strippenzieher ist.
Dennoch lässt Kistner seit längerem unterbelichtet, dass nicht einzelne handelnde Personen und Seilschaften, sondern das System das Problem ist. Letztendlich streiten sich Fifa und Uefa (der europäische Kontinentalverband), sowie die vorwiegend europäischen Grossvereine, nur um die grössten Stücke vom Kuchen. Die Bedingungen, wie der Kuchen hergestellt wird, werden dagegen nicht diskutiert. In diesem System spielen die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der den Kuchen Produzierenden, der Sportler*innen und Fans, keine Rolle. Sie sind nur mit unattraktiven Profitraten verwertbar.
Das fällt z.B. auf, wenn Sie diese unbedeutende Meldung zur Terminierung eines deutschen Abstiegsduells zwischen Paderborn und einem Verein aus der Umgebung von dem Dom lesen. Lassen Sie mal die Sprache (und Denke dahinter) auf sich wirken. Dann wissen Sie, dass das Kartell “Deutsche Fußball-Liga” in der gleichen Denkwelt operiert, wie der von Kistner völlig zurecht gescholtene Infantino.
Eine andere Welt ist möglich – aus der Rippe dieser kriminellen Kartellsysteme kann sie nicht sein.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net