Meine persönliche Corona-Stimmung gibt Ulf Erdmann Ziegler/taz heute ganz gut wieder. Gleich gehts in die Sonne – ein Kleingeschäft in Beuel soll Atemschutzmasken zum Kauf anbieten. Zuvor noch ein paar sachdienliche Hinweise zur Debatte.
Morgens kurz nach 9 hat der DLF sein Qualitätsprogramm “Europa heute” plattgemacht, sicheres Gespür für schlechtes Timing, aber getreu der Politik der Bundesregierung folgend. Stattdessen gibts dort täglich (!) ein Interview mit Führungskräften der Kölner Uniklinik. Die sind allerdings auch aufschlussreich: sie sind perfekte PR. Natürlich habe ich keinen eigenen Einblick in den dortigen Arbeitsalltag. Den Eindruck, den die hochprofessionell gegebenen Interviews vermitteln ist: keine Panik, wir haben alles unter Kontrolle, wir sind blendend vorbereitet, wer unsere medizinische Hilfe in Anspruch nimmt, ist in allerbesten Händen, an unserer ruhigen überlegten Sprechweise merken Sie: wir sind kein Stück nervös und haben alles im Griff.. Ist das nur professionelle PR, die den Blick für die harte Realität verdeckt? Oder ist alles – bisher – halb so schlimm?
Gleichzeitig gibt Gert Fätkenheuer von ebendieser Uniklinik ein SZ-Interview, das den Leser*inne*n für nichts Hoffnung macht. Erstmal möglichst keine Aufhebung irgendwelcher Beschränkungen. Das Virus zwinge dazu, vielleicht bis Ende des Jahres und noch darüber hinaus. Denn Schutz gibts erst mit Impfstoff. So weit, so schlüssig.
Politökonomisch ist aber genau das nicht möglich. Und einer der Ersten, der zeigen will, dass er das weiss, ist der Kanzlerkandidat in spe, im Hauptberuf NRW-Ministerpräsident, Armin Laschet.
Der weltweite Turbokapitalismus kann die gegenwärtige Vernichtung von überschüssigen Kapital-Billionen gut hinnehmen. Es gab sowieso zuviel davon: daher Immobilienblasen, Nullzinsen, Fußballblase etc. Kapital ist zu billig geworden, darum ist es sinnvoll viel davon aus dem “Markt” zu nehmen. Der entscheidende Zweck: danach weitermachen wie zuvor – Blackrock-Boss Fink: “tremendous opportunities”.. Ein bisschen Umweltgedöns dazu, Digitalisierungslokomotive vorheizen, Big Data, Monopole ausbauen und beschleunigen – “unsere” Monopole, bloss keine chinesischen!
Unterstützt wird dieses Bestreben durch die Probleme, die die Menschen als Sozialwesen mit dem Lockdown haben. Der Mensch lebt nicht dafür allein zu sein. Der Mensch lebt nicht dafür, Mitmenschen nicht berühren zu dürfen, im Gegenteil. Der Mensch lebt seit hunderttausenden Jahren mit Viren. Und jetzt ist das erste da, das menschliches Leben über ein Jahr stilllegen soll? Das müsste “die Wissenschaft” noch mal etwas besser erklären, wofür das gut sein soll. Ich habe ja nicht aufgehört bei und für die Grünen zu arbeiten, damit mir dann auf diese Weise menschlich-soziale Lebenszeit gestohlen wird.
Schwierige Abwägungen, ich weiss. Und es ist die prekarisierte politische Klasse, die in den europäischen Demokratien dazu gewählt und damit beauftragt wurde, diese Abwägungen entlang unserer Grundrechte zu treffen.
Schwägerl bei riffreporter.de – der Text des Tages
Dabei passieren leichte und auch schwere Unfälle. In einer Ultrakurzfassung kommentiert sie FAZ-Wissenschaftsredakteur Joachim Müller-Jung. Eine sehr informative Langfassung liefert Christian Schwägerl/riffreporter, für mich der Text des Tages (Dank an Extradienst-Leser Klemens Roloff für den Hinweis!).
Schwägerl zeigt für mich, wie sich Wissenschaft fahrlässig zum Niveau der prekarisierten Politik hinunterziehen lässt. Nachdem “die Wissenschaft” gerade erst durch ihre Unterstützung der Klimabewegung gesellschaftliches Vertrauenskapital erarbeitet hatte. Und lässt sich nun von unseriösen Seilschaften konservativ-reaktionärer PR-Arbeiter wie Diekmann und Mronz zum Affen machen? Naturwissenschaftler*innen sind – vermutlich aus gutem Grund – keine PR-Talente (obwohl: manche ja offensichtlich doch). Aber sie dürfen gesellschaftlich auch nicht so vernagelt sein, sich so schlecht, falsch und unseriös beraten und instrumentalisieren zu lassen.
Corona, das fiese Virus, hat wieder ein paar Bühnenvorhänge runtergerissen, und was da zum Vorschein kommt, sieht nicht gut aus.
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