Wundersame Bahn XLIV
Ist Bahnfahren gefährlich? Eine Mehrheit scheint das zu meinen. Sonntags, an den Nachmittagen und Abenden, bricht die Deutsche Bahn gewöhnlich so zusammen, wie Freitagsnachmittags. Das war vor Corona. Jetzt glauben die meisten, Autofahren sei sicherer. Haben wir gelacht. Aber der angenehme Nebeneffekt ist halt – es ist nicht mehr voll. So auch gestern zwischen Bonn und Essen.
Ich fange mit der Rückfahrt an, das ist kürzer. Der IC nach Frankfurt trifft pünktlich in Essen ein. Sonntagsabends! Kurz hinter dem Essener Hbf. wird er zwangsgebremst. Bis Duisburg passiert das noch zwei weitere Male. Die Zugbegleiterin sagt durch, den Grund für diese ausserplanmässigen Halte kenne sie auch nicht. Später spricht sie von einem “technischen Defekt an der Lok”. Ein weiteres Mal passiert das zwischen Roisdorf und dem Bonner Hbf. Endergebnis: 15 Minuten Verspätung in Bonn. Kleinkram. Die Bremsung allerdings wirkte wie eine brutale Bremsung auf Null, so dass instinktiv an Selbstmörder*innen gedacht wird. Meine Hypothese ist eine Andere: der Lokführer (ich tippe auf einen Mann) hat die zulässige Höchstgeschwindigkeit für die entsprechenden Streckenabschnitte zu weit überschritten, und die (digitale?) Zugsteuerung hat darauf mit einer Notbremsung reagiert. Fahrgäste der Linie 66 im VRS wissen, wie sinnvoll so eine technische Vorrichtung sein kann.
Gestern war die Hinfahrt komplizierter. Ich war gut in der Zeit. Der 88. meines Vaters war zu feiern. Da konnte es nichts schaden, den einen oder anderen Zug früher zu nehmen, um Schwatz mit den Verwandten zu halten. Doch am Nachmittag ging am Bonner Hbf. nichts. Die Bahnsteigdurchsage sprach von einem “Notarzteinsatz am Gleis”. Unglücke passieren. Da kann die Bahn nichts für. Aber wie sie damit umgeht. Der Notfall ereignete sich südlich von Bonn. Kein Zug kam mehr durch. Infrastruktur zum ausweichenden Vorbeifahren gibt es nicht. Ein Blick vom Hauptbahnhofsbahnsteig nach links und rechts lehrt: auch in Zukunft nicht. Die Dauer der Störung blieb ungewiss. Ich versuchte mich individuell nach Beuel zu bewegen, um Zugumleitungen zu erwischen, oder wenigstens einen Nahverkehrszug nach Köln. Doch Fehlanzeige: S13-Bauarbeiten, aus Beuel fuhr noch weniger als gar nichts. Zurück zum Hbf., immerhin, der Betrieb der Stadtwerke funktionierte. Dort stauten sich bereits zwei RE5 aus Köln in Richtung Koblenz. Auf die Idee, einen nach Köln umdrehen zu lassen, kam niemand. Das angesprochene Zugpersonal des RE5, der von National Express betrieben wird, sah sich ausserstande, darauf Einfluss zu nehmen. DB-Personal war nirgends zu sehen. Die Älteren erinnern sich noch an die Einrichtung der “Bahnsteigbeamten”. War eine gute Idee. Sie abzuschaffen dagegen überhaupt nicht.
Aus 100m Entfernung von Gleis 2 aus war zu sehen, dass von Gleis 1 ein “National Express” nach Köln durchkam, weil er erst in Bad Godesberg eingesetzt wurde, der Notfall also wohl weiter südlich war. Eine entsprechende Bahnsteigdurchsage zu dieser Fahrtmöglichkeit Richtung Köln? Fehlanzeige. Beim Anblick des ausfahrenden Zuges bedauerte ich es nicht mehr: er fuhr nur einteilig, also mit halber Kapazität, war aber durch die vielen Zugausfälle doppelt so voll. Nee, danke.
Nach einiger Wartezeit kam dann der IC in Richtung Hamburg. Er erreichte Essen mit 30 Minuten Verspätung. Von meinem Aufbruch in Beuel bis in den Norden von Essen (110-120km) kam ich auf eine Reisezeit von 3,5 Stunden hin, 2,5 Stunden zurück (von Tür zu Tür, inkl. Umstiege auf U-Bahn, Stadtbahn, Fahrrad). Kommentieren Sie sich das selbst.
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