Die CDU-Fraktion in der Schwarz-Grün-Roten Koalition der Demokraten gegen die rechtsextreme AfD will nicht dem Medienstaatsvertrag aller Bundesländer zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zustimmen. Vorgeblich geht es der CDU um 86 Cent monatliche Beitragserhöhung und ihre Glaubwürdigkeit. Das ist lächerlich. Wenn nach neun Jahren der Stagnation von Rundfunkgebühren eine solche Anpassung erfolgt, kann sie im Angesicht von Inflation, Lohn- und Kostensteigerungen, Sozialabgaben und Investitionen wohl nicht als Kostensteigerung interpretiert werden. Offenbar geht den Akteuren um etwas ganz anderes: ob sie den öffentlich-rechtichen Rundfunk zerstören wollen.

Damit läge die Ost-CDU im Kern auf gleichem Kurs wie PEGIDA, Populisten, Corona-Leugner und eben die AfD. Ex-Innenminister Stahlknecht (CDU) hat es nicht Lügenpresse genannt, aber er hat in seinen Interviews unverhohlen die Berichterstattung kritisiert, die ihm und anderen in der CDU nicht gefalle. Teile der Ost-CDU haben ein offensichtliches Problem mit der Pressefreiheit.

86 Cent sind in Wirklichkeit der Vorwand von ideologisch vorbelasteten, weniger an einer ausgewogenen, demokratischen Berichterstattung, stattdessen an einer konservativ-autoritären Haltung von Medien interessierten Kräften. Diese versuchen auf breiter gesellschaftlicher Front sowohl in der AfD als auch in der sachsen-anhaltinischen CDU an Boden zu gewinnen, um ihrem eigentlichen Ziel, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu zerschlagen, näher zu kommen. Sie stehen damit in einer Reihe mit populistischen Kampagnen von rechts, wie sie etwa in der Schweiz die No-Billag-Initiative gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefahren hat. Was als provinzieller Machtkampf zwischen Ministerpräsident Haseloff und seinem Parteivorsitzenen daher kommt, dahinter könnte in Wirklichkeit ein Anschlag auf die öffentlich-rechtliche Medien stecken.

Der AfD ist diese Strategie auf den Leib geschrieben, denn es geht ihr um die Destabilisierung des demokratischen Systems hin zu einer nationalistisch-autoritären Gesellschaft. Dass auch in Teilen der Ost-CDU solche Tendenzen zumindest gedanklich geteilt werden, ist erschreckend. Dabei hat doch die Corona-Pandemie deutlich werden lassen, dass diese unverzichtbar sind, sollen nicht die Kampagnen demokratiefeindlicher Interessengruppen auf (a)sozialen Netzwerken wie Facebook und Co. die Oberhand gewinnen. Pluralistische Debatten, die Aufrechterhaltung einer demokratischen Öffentlichkeit, die einen offenen Diskurs ermöglichen, sind Kernbestandteil der demokratische Verfasstheit des Grundgesetzes – nicht zuletzt wegen der Erfahrung mit der Gleichschaltung der Medien durch die NS-Diktatur. Und durch die realsozialistisch-parteiischen Staatsmedien in der DDR.

Der AfD ist der öffentlich-rechtliche, demokratisch verfasste und staatsferne Rundfunk schon lange ein Dorn im Auge. Sie bevorzugen die einseitigen Bewusstseinsblasen der (a)sozialen Netzwerke, um ihre abwegigen und auf Fake-News beruhenden Botschaften zu verbreiten. Ebenso handeln Corona-Gegner, Verschwörungserzähler der Q-Anon-Bewegung, Impfkritiker und alle möglichen Sektierer*innen bis hin zu Islamisten, Reichsbürgern. Sie alle wünschen sich eine Welt ohne das, was sie “Lügenpresse” nennen, um ihren kruden Thesen und manipulativen Medien freie Bahn zu schaffen. Das Endergebnis einer solchen Entwicklung konnten wir in den USA unter Trump besonders deutlich beobachten, und es wirkt bis heute als eine unversöhnliche ideologische Spaltung der Gesellschaft nach. Dazu schickt sich die sachsen-anhaltinische CDU an, den Steigbügel zu halten. Es geht um viel mehr als um 86 Cent und um eine Landeskoalition. Die CDU steht vor einem erneuten Sündenfall, wie mit der Wahl von Herrn Kemmerich in Thüringen gemeinsam mit der AfD. Es geht ganz grundsätzlich um die demokratische Substanz der CDU-Ost. Das muss sie entscheiden. Merkel hat bei Kemmerich eingegriffen, weil AKK zu lange gezögert hat. Die Frage ist, wie die CDU diesmal die Kurve bekommt.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net