Ein Jahr nach den Morden in Hanau fand dort am Wochenende eine Gedenkfeier statt. Der Bundespräsident war erschienen. Feiern wie diese sollen die Opfer ehren und ihre Angehörigen trösten. Der friedfertige Teil der Gesellschaft betont bei solchen Anlässen seinen Anspruch, die Regeln des Zusammenlebens zu bestimmen und durchzusetzen. In diesem Punkt war die Gedenkfeier für die Angehörigen enttäuschend – und für die Gesellschaft beschämend.
Wie konnte ein psychisch Kranker mehrere Waffenscheine erhalten? Ein Jahr nach dem Verbrechen sind dessen Umstände immer noch nicht geklärt. Aus Mängeln, Fehlern und Versäumnissen können bis heute keine Konsequenzen gezogen werden, die das Risiko einer Wiederholung verringern.
Unwillkürlich denkt man an die NSU-Morde, die nicht abschließend aufgeklärt wurden. Der Bundespräsident sah sich in Hanau genötigt, festzuhalten: „Aufklärung und Aufarbeitung stehen nicht in freiem Ermessen. Sie sind Bringschuld des Staates gegenüber der Öffentlichkeit und vor allem gegenüber den Angehörigen.»
Der Verdacht steht im Raum, das Verbrechen sei durch Staats- und Behördenversagen begünstigt worden. Nun droht sich auch die Aufklärung zu einem Staats- und Behördenversagen auszuwachsen. Gut möglich, dass in einem Jahr bei der zweiten Gedenkfeier für die Opfer in Hanau der dann aktuelle Bundespräsident fordern muss, nicht nur die Umstände der Tat aufzuklären, sondern auch die Umstände, unter denen der Staat seine Bringschuld verschleppte.
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