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Rosemarie Keltz und Siegfried Pater

Neue Straßennamen für Bonn

In wahrscheinlich allen Städten und Gemeinden wird es eine Liste mit Namensvorschlägen für Straßen, Plätze und Wege geben. So auch in Bonn. Hier umfasst sie derzeit rund einhundert Namensvorschläge, weswegen die Vertreterin des Bürgerbundes im Ausschuss für Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger gegen meinen Bürgerantrag stimmte, in Zukunft irgendwann auch je eine Straße, Platz oder Weg nach Rosemarie Keltz und Siegfried Pater zu benennen.

Rosemarie Keltz wäre am 25. Mai 2022 100 Jahre alt geworden, leider verstarb sie am 23.4.2021.

Mit der Straßen-Benennung soll eine außergewöhnliche Frau geehrt werden, deren Namen für tatkräftige Hilfe und Solidarität insbesondere mit geflüchteten Menschen steht. Menschen die alles aufgeben mussten und besitzlos in der Bundesrepublik Deutschland ankamen. Rosemarie Keltz hat die Fluchterfahrung ihrer Familie auf eine ganz besondere Art verarbeitet. Sie hat sich zeitlebens – außer für ihre Familie und Freunde – auch stets für Flüchtlinge und Arbeitsmigranten eingesetzt, viele auch bei sich aufgenommen und ihnen in vielfacher Hinsicht geholfen. Bereits ab 1966 hat Rose Maria Keltz, damals noch in Mülheim an der Ruhr, einen kleinen Kreis von Gastarbeitern aus Portugal unterstützt. Aus diesen Erfahrungen heraus nahm sie 1980 Kontakt auf zum Flüchtlingsreferat des Evangelischen Kirchenkreises An der Ruhr und ab 1985 auch zum Mülheimer Flüchtlingsrat e.V.

Im Jahr 2001 gründete sich der Verein „Ausbildung statt Abschiebung e.V.” (AsA). Frau Keltz wurde als Beisitzerin in den Vorstand gewählt, dem sie lange Jahre angehörte. Sie setzte sich insbesondere als Jobpatin ein. Das heißt, Frau Keltz begleitete die jungen Flüchtlinge zu den ortsansässigen Handwerkern und bat um Ausbildungsplätze. Für viele ihrer Schützlinge wurde sie zur „Ersatz-Mutter“ oder „Oma“. Für ihre Flüchtlingshilfe wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Auch noch im hohen Alter arbeitete sie weiterhin aktiv im Vorstand des Vereins mit und besuchte im Rahmen ihrer Möglichkeiten weiterhin Jugendliche in ihren Ausbildungsstellen und pflegte Kontakt zu deren Arbeitgebern. Ich habe Rosemarie Keltz im Aktzeichenkurs der Bonner VHS und der Künstlergruppe Semikolon im Bonner Stadtteil Duisdorf kennen gelernt.

Der Bonner Publizist und Aktivist Siegfried Pater, 2015 im Alter von 69 Jahren verstorben, war seiner Zeit voraus. Für ihn waren Rodung des Amazonas und drohender Klimawandel bereits vor 30 Jahren Themen seiner Recherche und Arbeit. Nach dem Studium des Vermessungsingenieurwesens ging Siegfried Pater als Entwicklungshelfer nach Brasilien – und kam verändert zurück. Die dort erlebten Missstände trieben ihn seitdem an, sich gegen die Ungerechtigkeit auf der Welt zu engagieren. Er studierte zusätzlich Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Entwicklungspolitik, lernte die Zusammenhänge im ungerechten Weltmarkt besser zu verstehen und setzte sich mit seinem Know-how für gerechtere Strukturen zwischen den Industrie- und den Dritte-Welt-Ländern ein.

Siegfried Pater gründete und unterstützte zahlreiche Dritte-Welt-Initiativen weltweit und klärte nach aufwendigen Recherchen und Reisen in der ganzen Welt in Buch und Film über Globalisierung, Entwicklungshilfe und die Verursacher von Not und Elend auf. Dabei kritisierte er auch Weltkonzerne wie Coca-Cola und McDonald´s. Darüber hinaus verfasste er unzählige Artikel, organisierte ehrenamtlich Demonstrationen für Menschen in Lateinamerika und führte verschiedenste Aktionen durch. In der Aktion gegen Organhandel konnte Siegfried Pater mit lebensgefährlichen Recherchen in Blutbanken in Brasilien über alle Parteigrenzen hinweg eine breite Öffentlichkeit mobilisieren, was in Deutschland 1997 zum Verbot des Handels mit menschlichen Organen führte. Für seinen beharrlichen und selbstlosen Einsatz wurde er mehrfach von verschiedenen Vereinen und Institutionen ausgezeichnet. Als erster Europäer erhielt er den chinesischen Umwelt- und Kulturpreis, und für sein Engagement für eine gerechtere Welt wurde ihm 2014 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

Ein Kommentar

  1. Martin Böttger

    Bravo, lieber Helmut, gut gemacht.
    Mit dem von Frau Keltz mitgegründeten Verein Ausbildung statt Abschiebung hatte ich 2006-2016 noch beruflich zu tun – ein bürgerschaftlicher Leuchtturm der Bonner Stadtgesellschaft.
    Und Siegfried Pater hat nicht zuletzt die Informationsstelle Lateinamerika mitgegründet, die diesen Extradienst nun schon seit vielen Jahren zuverlässig und hochqualifiziert mit extraguten Texten versorgt:
    https://extradienst.net/?s=%22Informationsstelle+Lateinamerika%22

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