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Lass es sein Joe!

Mit Verlaub möchte ich meinem langjährigen radikaldemokratischen Weggefährten Hanspeter Knirsch widersprechen. „Let`s finish the job“ ist nicht nur ein nicht sehr zukunftsgerichteter Slogan. Vielmehr bringt er in seiner Inhaltsleere die Konzeptlosigkeit der Demokraten auf den Punkt. Unter Führung des Präsidenten war und ist es der Partei wichtiger, fortschrittliche und linke Kandidaten in ihren Reihen zu verhindern, als den Republikanern mit einem konsequent fortschrittlichen Programm Paroli zu bieten. Wie anders ist es zu verstehen, dass die Parteiführung nach wie vor die Senatoren Joe Manchin und Kyrsten Sinema unterstützt, die längst die Politik der Republikaner betreiben.

Und nach der Ankündigung Bidens, erneut anzutreten, hat das Democratic National Committee gleich wissen lassen, dass es keine Vorwahl-Debatten zulassen wird. „Biden darf nicht herausgefordert werden“, meinte Cenk Uygur vom linksliberalen Medien-Netzwerk The Young Turks in einem Kommentar. „Alle Demokraten müssen die Klappe halten und sich einreihen.“ Und er fügte hinzu, „Keine Debatten zu führen, ist undemokratisch und lächerlich. Kein fortschrittlicher Mensch sollte dieser Art von Machtübernahme zustimmen.“ Das demokratische Establishment fürchtet eine offene Vorwahl. Nach dem Erfolg von Bernie Sanders‘ Kampagnen der letzten Jahre, die Millionen mobilisiert haben, geht es darum, eine weitere linke Herausforderung zu vermeiden.

Natürlich kann Biden auf Erfolge seiner Politik im Inneren verweisen. Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die arbeitende Bevölkerung unter historischen hohen Lebenskosten leidet. Aus dem versprochenen Mindestlohn von 15 Dollar ist nichts geworden. Von einer „öffentlichen Option“ für die Gesundheitsversorgung ist bei Biden nicht mehr die Rede. Er gibt sich als „Gewerkschaftspräsident“ aus, während er die Eisenbahner verrät und ihren Streik bricht. Wenn es um Bürgerrechte und das Recht auf Abtreibung geht, geben sich Biden und die Demokraten liberal. Wenn es aber ums Geld geht, handeln sie nach dem Motto „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“. Zur Bestätigung muss man nur einen Blick in die Liste ihrer Großspender werfen.

Bidens Klimapolitik

Und wie sieht es mit der Klimapolitik aus? Die Regierung von Präsident Biden will den Übergang zu Elektrofahrzeugen beschleunigen, eine Milliarde Dollar zur Unterstützung armer Länder im Kampf gegen den Klimawandel bereitstellen und sie will Grenzwerte für Treibhausgasemissionen von Kraftwerken einführen. Aber viele junge Wähler sind mehr als verärgert über Bidens Entscheidung, das „Willow-ConocoPhillips”-Ölbohrprojekt zu genehmigen, ein 8 Milliarden Dollar teures Ölbohrprojekt auf unberührtem Land in Alaska.

„Wenn er gewinnen will, muss er die jungen Wähler ansprechen, die die Demokratische Partei seit 2018 tragen“, heißt es in einer Twitter-Meldung der Sunrise-Bewegung, einer Organisation von Jugendlichen, die sich für staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise einsetzt. „Er darf die Unterstützung unserer Generation nicht als selbstverständlich ansehen.“ Die Zahlen sprechen für sich: Bei der Wahl 2020 stimmten 61 Prozent der 18- bis 29-Jährigen für Biden. In einer Umfrage aus dem letzten Monat ist diese Zahl um 13 Prozent gesunken. Und überhaupt: Weit weniger als die Hälfte der demokratischen Wähler wünschen sich in jüngsten Umfragen, dass Biden zur Wiederwahl antritt. Erstaunliche 94 Prozent der Demokraten unter 30 Jahren sagten letzten Sommer, dass sie sich einen anderen Kandidaten wünschen. Unter den Amerikanern insgesamt, so ergab eine aktuelle Umfrage der Washington Post/ABC, wären nur 7 Prozent „begeistert“, wenn Biden wiedergewählt würde.

Für Optimismus kein Anlass

Von RealClearPolitics gesammelten Umfragedaten deuten darauf hin, dass das Duell zwischen Biden und Trump wahrscheinlich ähnlich knapp ausfallen wird wie im Jahr 2020. Für den von Demokraten zur Schau getragenen Optimismus, dass Biden im Duell mit Trump als Sieger hervorgehen wird, gibt es meiner Ansicht nach keinen Anlass. Auf die Debatte um Bidens Alter will ich erst gar nicht eingehen. Wobei ich allerdings bei jedem öffentlichen Auftritt den Atem aus Angst anhalte, dass er stolpert, sich verhaspelt oder Dinge sagt, die er lieber nicht gesagt hätte.

Auch außenpolitisch gibt es manches zu kritisieren, angefangen von den anhaltenden Provokationen gegenüber China bis hin zur Weigerung der Regierung, von der uneingeschränkten Unterstützung der israelischen Apartheid durch die US-Elite abzurücken, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Und dann ist da das Wort „Freiheit“, das, wie Hanspeter Knirsch schreibt, „immerhin das zentrale Motiv liberaler Politik“ ist. Als alter Jungdemokrat frage ich mich natürlich, wie es um das Verständnis von Freiheit bei einem Präsidenten bestellt ist, der nach wie vor Julian Assange mit Aussicht auf 175 Jahre Haft vor Gericht bringen will, weil er Kriegsverbrechen der USA aufdeckte. Oder der nicht bereit ist, den seit 1977 trotz umstrittener Beweislage im Gefängnis sitzenden Aktivisten des American Indian Movement Leonard Peltier zu begnadigen. Nicht zu vergessen ist hier auch der Fall des wegen Mordes einsitzenden Journalisten Mumia Abu-Jamal, der unter Bedingungen verurteilt wurde, die sein Recht auf einen fairen Prozess verletzten. Biden kann in diesem Fall keine Begnadigung aussprechen. Aber er könnte seinen Einfluss geltend machen, einen neuen Prozess zuzulassen, bei dem entlastende Dokumente vorgelegt werden können. Auch Bidens Asyl- und Deportationspolitik spricht dem inflationär gebrauchten Wort „freedom“ Hohn.

Oh, bevor ich es vergesse. Wer ist eigentlich Kamala Harris?

„Wie so oft in der Politik stellt sich hier die Frage nach den Alternativen.“ Dieser Aussage von Hanspeter Knirsch kann ich nur zustimmen. Nur, diese Frage hätten sich die Demokraten stellen sollen, als Biden vor der Wahl 2020 erklärte, nur ein Interimspräsident sein zu wollen. Trotz Trump kann ich nur sagen, „Lass es sein, Joe!“. Einmal muss endlich damit Schluss sein, immer nur ein kleineres Übel wählen zu können, um das Schlimmste zu verhindern.

Über Michael Kleff / Gastautor:

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Ein Kommentar

  1. Roland Appel

    Den offensichtlichen Harakiri-Kurs der Demokraten kann wohl nur noch ein rechtskräftiges Urteil gegen den Lügner, Betrüger und Vergewaltiger Trump beenden. Die Wahrscheinlichkeit liegt aber wohl bei etwa 20% und es bliebe ein schaler Geschmack, den jeder Nachfolger der Repse für sich instrumentalisieren könnte.

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