Auch richtige Kritik bleibt hilflos – wenn den Kritisierten nicht ein wirkungsvolles Agendasetting entgegen gesetzt wird

Wie kann das nur passieren? Die veröffentlichte Meinung lässt sich von Umfragen schockieren. Und eine Mehrheit von Wähler*inne*n wird von diesem Medienbombardement gelähmt. Denn unbeantwortet bleibt: was wird den Rechten denn – neben berechtigter Kritik an ihnen – entgegen gesetzt? Was sind die machtvollen durchsetzungsstarken Alternativen? Die Wähler*innen der Parteien links von AfD und CDU/CSU kennen offensichtlich keine. Darum sind sie so wenige geworden.

Auch hier im Extradienst kritisieren wir ausgiebig. Roland Appel hat sogar eine bislang sechsteilige Serie geliefert. Reinhard Olschanski macht sich Sorgen um die Satisfaktionsfähigkeit deutscher Konservativer. Beide haben in allem Recht. Das Abarbeiten am Gegner ist aber strategisch betrachtet der Beginn jeder sicheren Niederlage.. Wer die Themen setzt, gewinnt nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch jeden Machtkampf. So gesehen haben wir also schon kapituliert. Die AfD weiss das. Die ist ja – leider – nicht blöd, sondern nur menschenfeindlich und in grossen Teilen faschistisch.

Gestern demonstrierten wieder viele tausende Jugendliche gegen die schlechte Klimapolitik “ihrer” Regierung. Die Regierung nutzt sie nicht als gesellschaftliche Basis für eine Klimawende, sondern brüskiert sie. Durch die FDP – aber bitte keine Ausreden! Das bringt die Leute noch mehr auf.

Die geburtenstarken Jahrgänge aus der Friedensbewegung finden keine politische Vertretung mehr. Die Linke hat sich abgemeldet, die potenzielle “Wagenknecht-Partei” verschwistert sich mit dem Springerkonzern, spielt mit eben den Medien, die – verdientermassen! – von den gleichen Vertrauensverlusten gebeutelt sind, wie die demokratischen Parteien.

Eine friedenspolitische Position, die nicht mit Russlands Aggression verwechselbar ist, wie sie meine Gewerkschaft zu formulieren versucht, hat im parteipolitischen Raum der BRD keine Vertretung. Gar keine. Die Wahlbeteiligungen werden sinken, die Stimmenanteile der Rechten (und Kriegstreiber) plus jener der “Sonstigen” steigen von ganz alleine – einfach durch Nichtstun.

Die Regierungskoalition und ihre letzten Versteher*innen in den Medien irrlichtern durch das irre Berlin-Mitte. Relevante Themen setzen sie nicht. Sie blättern morgens in Bild und Spiegel, schalten den DLF ein, der morgens zu zwei Dritteln und mehr das rechtskonservative Spektrum der Gesellschaft rauf und runter interviewt, und glauben dann zu wissen, was wichtig ist. Davon lassen sie sich treiben, statt noch selbst irgendwas zu steuern. Das mobilisiert nichts und niemanden, sondern ist nur noch mitleidserregend.

In den Grossmächten der Welt wissen sie darüber Bescheid. In den Medienkonzernen mit eigener rechter Agenda ebenfalls. Widerstandskraft in irgendeiner Partei dagegen ist – wenn es sie noch geben sollte – unsichtbar. Das macht diese Republik immer rechter und gefährlicher – für ihre eigenen Bürger*innen und andere Länder und Völker.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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