Die Politik mit dem (Profi)Fussball (der Herren)
Die politische Zuspitzung im Profifussball der Herren hat gestern wieder einen spektakulären Pfiff hervorgebracht: den Schlusspfiff im Champions-League-Halbfinale zwischen den bei neutralen Fans gleichermassen unbeliebten Oligarchenklubs aus Madrid und dem süddeutschen Raum. Dabei haben die Süddeutschen den Kürzeren gezogen, eine Erfahrung, an die sie sich z.B. in Barcelona, der Hauptstadt Kataloniens, bis heute nicht gewöhnen wollen.
Spanien ist im Fussball ein chauvinistischer und kapitalintensiver Sonderfall. Wer sich nicht in Barcelona darüber informieren will, konnte bei der letzten Frauen-WM sachdienliche Hinweise gewinnen. Der dort zutage getretene Geschlechterkrieg ist nicht zuende, sondern immer noch erst am Anfang.
Während sich Teile der Öffentlichkeit und fast komplett die “veröffentlichte Meinung” über den gestrigen Schiri-Pfiff 1-2 Tage rauf und runter erregen, setzt sich der politische Paradigmenwechsel unbemerkter fort. Dazu ein paar aktuelle Indizien.
Nehmen Sie dieses scheinbar nebensächliche Geschwätz eines französischen Fussballrentners, ich lasse mal offen, ob und wer ihn dafür entlohnt haben mag: “‘Man soll sich den Business-Teil anschauen – ‘Fett abkassieren’: Desailly legt Mbappé Wechsel nach Saudi-Arabien nahe – Ex-Frankreich-Star Marcel Desailly hat einen kuriosen Vorschlag für Kylian Mbappé: Der 55-Jährige empfiehlt dem scheidenden PSG-Superstar, statt zu Real Madrid nach Saudi-Arabien zu wechseln.”
Das wäre nicht weiter von Bedeutung, wenn es nicht einen direkten Zusammenhang hiermit gäbe: “Bewerbung um Frauen-WM 2027: ‘Rechtliche Risiken: Herber Rückschlag für deutsche Co-Bewerbung? – Der Deutsche Fußball-Bund muss rund eine Woche vor der Vergabe um die Co-Ausrichtung der Frauen-WM 2027 bangen. Die Bewerbung von Konkurrent Brasilien hat besser abgeschnitten.”
Was mit “rechtlichen Risiken” gemeint sein könnte, das machte vor einer Woche eine Dokumentation von ZDF und Spiegel deutlich, deren Machart als eitles “Presenterformat” geeignet ist, informationssuchende Zuschauer*innen bis nah an den Herzinfarkt zu quälen, aber dennoch auf wesentliche politische Zusammenhänge aufmerksam macht: “UEFA – Fußball. Macht. Geld. – Das Geschäft mit der Europameisterschaft”. (Video 43 min), verfügbar zwei Jahre. Ich fasse zusammen, was in ähnlicher Weise für Fifa (WMs) und IOC-Veranstaltungen (Olympische Spiele) gilt: Feudalismus ist gut – Rechtsstaat ist schlecht – und Steuern sind des Teufels.
Darin sind sich Florentino Perez (Real Madrid), Nasser Al-Khelaifi (PSG/Qatar), Gianni Infantino (Fifa), Aleksander Čeferin (Uefa), Thomas Bach (IOC, FDP) und Mohammed Bin Salman (Saudi-Arabien, WM 2034) absolut einig. Die Frage, die “wir” nun beantworten müssen, ist, was und wie lange “wir” das noch mitmachen wollen. Ich bin für diese Antwort.
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