Beueler-Extradienst

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Wahrsagerei

Wenn mit Thomas Weber/bruchstuecke ein Referatsleiter eines Bundesministeriums in einem Blogbeitrag seine persönliche Meinung aufschreibt, dann müssen wir davon ausgehen, dass das nicht Meinung seines Ministers ist, selbstverständlich nicht, aber auf Ministeriumsfluren in Berlin, wenn gerade nichts Wichtigeres zu tun ist, doch gelegentlich darüber geschwätzt wird: “Wahlen: Olaf Scholz, Bundeskanzler 2025ff”. Für mich repräsentiert dieser Diskussionsbeitrag paradigmatisch die Realitätsabgewandtheit, mit der in der Hauptstadt, weit weg von der Mehrheit der Bevölkerung, treibhausartig Politik fabriziert wird. Schon die Landtagswahlen am 1. und 22. September in Sachsen, Thüringen und Brandenburg dürften zu einer harten Bruchlandung der hauptstädtischen Realitätswahrnehmung, aber nicht minder in die Irre führen. Denn diese Bundesländer repräsentieren ganz sicher nicht die Republik, sondern sind “nur” ein Ausdruck ihrer massiven inneren Probleme.

Mag sein, dass ähnlich wie Weber Sozialdemokrat*inn*en von ähnlichen Effekten wie 2021 träumen. Weber erklärt sie für “vorhersehbar und nicht ganz überraschend”. Das hat er exklusiv. Ich trachte nicht danach, ihm das wegzunehmen. Armin Laschet könnte zum Dank dafür Bundespräsident werden – das wäre u.U. sogar eine Verbesserung im Staatsamt. Träumt also weiter Genoss*inn*en, denn offenbar fällt Euch ansonsten nichts mehr ein.

Zu den andern beiden Koalitionsparteien fällt Weber wenig ein. Darum ergänze ich. Die FDP kann – wie immer – froh sein, wenn sie die 5%-Hürde überlebt. Die Grünen-Umfragewerte streben, ebenso wie die des rechtsblinkenden BSW, den 10% entgegen – nur aus unterschiedlichen Richtungen. Vorsorglich hat der Bundeskanzler BSW aussenpolitisch schon mal für nicht koalitionsfähig erklärt. Langweilige Wiederholungen alter Muster – aber bitte: jede*r wie sie*er will.

Aus dem allerkleinsten Einmaleins ergibt sich ein Ende der Ampel. Daraus ergibt sich für die kommende Bundesregierung eine Koalition – wie in Sachsen. War mit 61:57 auch schon ganz schön knapp. Ob sie den 1. September überleben wird?

Wie sieht die Welt im November aus?

Das ist die wichtigere Frage. Wenn es nach Donald Trump geht, wird dann – vielleicht zum letzten Mal – in den USA ein Präsident gewählt. Ich kann schon nachvollziehen, dass den real Herrschenden die Unkalkulierbarkeit demokratischer Wahlen gehörig auf den Sack geht. Selbst die mannigfachen Manipulationen am US-Wahlsystem konnten nicht ausschliessen, dass die Wähler*innen falsch wählen. Warum nicht das Wählen an die Regeln börsennotierter Aktiengesellschaften anpassen? Das wäre doch nur gerecht: die am meisten “verdienen”, bestimmen dann auch am meisten. Das gute, alte preussische Dreiklassenwahlrecht war doch schon ein guter Ansatz in diese Richtung.

Ich fürchte nur, Trump und seine Hintermänner wären selbst damit noch nicht zufrieden. David Goeßmann/telepolis: Autoritäre Phalanx: Trump, Vance und die Tech-Elite um Paypal-Milliardär Thiel – Silicon-Valley-Magnaten haben sich hinter Trumps Revolutionsprojekt gestellt. Sie haben ein gemeinsames Ziel. Und eine Strategie, um an die Macht zu kommen.” Neofeudalismus – die Geschichte zurückdrehen, weil früher alles besser war. Stellen Sie sich nur mal vor, im Dreissigjährigen Krieg (1618-48) oder im Hundertjährigen Krieg (1337-1453) – beide hier “bei uns” ausgetragen – hätte es schon Atomwaffen, KI/AI etc. gegeben. Die hätten doch niemals so lange gedauert. Und was der Menschheit alles erspart geblieben wäre …

Neofeudalismus im Kapitalismus

Fremdeln Sie mit dem Begriff “Neofeudalismus”? Haben Sie in Geschichte so schlecht aufgepasst? Oder war die*der Lehrer*in krank? Wie das heute funktioniert, lesen Sie hier, und zwar am besten auch die marxistisch Geschulten, die im Delirium Russland oder China für fortschrittliche Alternativen halten: Paul Simon (Interview)/Jungle World: Nathan Halverson, Investigativjournalist, im Gespräch über weltweites »land grabbing«: »Knappheit bedeutet Unsicherheit« – Im 21. Jahrhundert droht Wasser zu einer immer knapperen Ressource zu werden. Staaten mit großem Wasserbedarf, der ihre eigenen Res­sour­cen übersteigt, versuchen, sich landwirtschaftlich nutzbare Flächen andernorts anzueignen. Die »Jungle World« sprach mit dem Journalisten Nathan Halverson über saudisch-arabische Plantagen in der Wüste von Arizona und Landraub in Sambia.”

Dä.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Annette Hauschild

    Land grabbing ist nun wirklich nichts Neues. Da braucht es keinen investigativen Journalismus, sondern nur ein Blick ins IZ3W oder andere entwicklungspolitische Gazetten. Land Grabbing ist seit Jahrzehnten ein Thema in Ostdeutschland, aber hier hat es mal wieder keiner gemerkt. Und in der Ukraine wird nach dem krieg das Land nicht mehr den Ukrainern gehören, sondern Black Rock,

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