Wenn es nur die Deutsche Bahn wäre – mann könnte sich dran gewöhnen. Es ist der Intelligenzverfall demokratischer Politik, an den ich mich nicht gewöhnen will. Er öffnet nicht nur riesige Freiräume für faschistische Kräfte, er verschärft auch die sowieso schon zutageliegenden gesellschaftlichen Probleme des real existierenden Kapitalismus. Zwei Texte dieses Blogs führten das gestern brutal vor Augen: zur Kommunikation und zur Altenpflege.

“Dieses Internet” – wie lange ist das allgemein bekannt? So weit ich mich an meine Landtagszeit erinnere: 30 Jahre. Wer was mit Regieren und/oder Militär zu tun hatte, müsste es noch 10-20 Jahre länger kennen. Die Erkenntnisse von Wolfgang Lieb – waren die damals noch geheim? Soweit ich weiss: nein, im Gegenteil. Was hat die deutsche Medienpolitik – laut Geundgesetz in der Zuständigkeit der Bundesländer – all die Jahrzehnte gemacht? Jedenfalls keine politischen Spielregeln. Mühselig dackelt die EU mit dem einen oder anderen “Digital Act” – standhaft bekämpft von millionenschweren Lobbys der IT-Konzerne – der technischen Entwicklung hinterher.

Und was macht die deutsche Medienpolitik? Sie macht in dieser Situation, die ihr Versagen so unerbittlich offenlegt, alles noch schlimmer, das komplette Gegenteil von dem, was Wolfgang Lieb fordert. In einem AfD-Ähnlichkeitswettbewerb haut sie den öffentlichen Medien die (Programm-)Beine weg. Mit Kostensenkung hat das nichts zu tun, aber viel mit Verdummung uninformierter Öffentlichkeit. Die Hausghaltsabgabe könnte um knapp 2 €/Monat gesenkt werden, wenn darüber nicht die weitgehend überflüssigen Landesmedienanstalten (die früher mal knappe Frequenzen vergaben, die heute nicht mehr knapp sind) finanziert würden (nicht zu verwechseln mit den 9 ARD-Sendern). Die Bundesländer, die auf eine solche Anstalt wert legen, sollen sie gefälligst selbst finanzieren. So weit geht die angebliche Liebe zu den Gebührenzahler*inne*n aber auch wieder nicht …

Mal abgesehen davon, dass dieses Thema kalter deutscher Bohnenkaffee ist. Zur weitgehend nach Wild-West-Gesetzen der darwinistischen Monopolwirtschaft entwickelten KI geht es hier entlang:

Andreas v. Westphalen (Interview) und Douglas Rushkoff/DLF: Im Angesicht der Katastrophe: Die Angst der Tech-Milliardäre vor ihrem Personal – Welches Welt- und Menschenbild beherrscht das Denken der Tech-Milliardäre in Silicon Valley, die zunehmend auch unser Denken bestimmen? Wie können wir uns den Auswüchsen dieses Tech-Mindsets entgegenstellen?” (Audio 30 min)

Tom Schimmeck/DLF: Intransparente KI: In den Fängen der Algorithmen – Schon heute entscheiden Algorithmen darüber, wer Sozialleistungen oder Jobs bekommt. Doch ohne Transparenz und Sicherheitsnetz wird der Einzelne schnell zum Objekt unerklärlicher Prozesse, vor denen es kein Entrinnen gibt – wie bei Kafka.” (Audio 40 min).

Mathias Bröckers/overton: KI vs. Verschwörungstheorie – Eine KI, die nach die KI geschaltet werden soll, damit sie die vorherige KI überwacht, sagt alles über Künstliche Intelligenz, was man darüber wissen muss.”

Niklas Jan Engelking/heise: Studenten identifizieren Passanten mit Metas Smart-Brille – Zwei Harvard-Studenten ist es gelungen, fremde Menschen auf der Straße per Blick zu identifizieren. Möglich machte das Metas neue Smart-Brille.”

Zeigen Sie mir eine*n Politiker*in, die*der nur eins davon zur Kenntnis nimmt. Oder gar handelt …

Seit 60 Jahren

Noch einfacher wäre – theoretisch – die Kenntnisnahme des Pflegenotstands. Seit 60 Jahren ist der Geburtengipfel der Boomer*innen von 1964 auf der deutschen Welt. Es gibt amtierende Politiker*innen, die es heute noch wagen, das als “überraschend” zu bezeichnen. Da frage ich mich sehr, sehr wütend: für wie doof halten die mich (und Sie!)?

Frau Tobias berichtet aus ihren praktischen Bemühungen und vor welche Wände sie gelaufen ist. Extradienst-Autor Klaus Vater kommentiert das aus seiner beruflichen Erfahrung, und hat parallel bei den Kolleg*inn*en von bruchstuecke.info informatives zur Rentenentwicklung beigetragen. Mein bester persönlicher politischer Rentenberater geht in Kürze, zur nächsten Bundestagswahl, in den Ruhestand.

Nichts an all diesen Entwicklungen ist überraschend, fast alles seit Jahrzehnten absehbar. Die im AfD-Ähnlichkeitswettbewerb praktizierte Migrationspolitik bemüht sich nach Kräften, alle Probleme noch mehr zu verschärfen. Tatsache ist: nichts daran ist Sachzwang – alles steht politischen Entscheidungen offen. Wenn der Staat sich arm macht (danke FDP, darauf steht politische Todesstrafe – euren Irrsinn kann die AfD “besser”) – das Land ist es nicht. 2023 war das Durchschnittsvermögen eines deutschen Haushalts 316.500 €. Ich habe weniger. Sie auch? Hmm, wo mag es sein?

Meine Überlegungen zu meiner persönlichen Altenpflege ähneln denen meiner jüngeren Schwester, die aus der Branche wie so viele ausgestiegen ist: eine informelle Genossenschaft mit guten Freund*inn*en, die sich die Kosten und das Personal teilen, privatfinanziert. Denn eine Politik, die das als gemeinschaftliche Daseinsvorsorge ansieht, ist nicht erkennbar. Nicht für mich. Wenn Sie sie sehen, geben Sie mir bitte Bescheid.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net