Friedrich Merz hat seine ganz besondere Auffassung vom Völkerrecht. In Sachen Ukaine gilt es für ihn, im Fall Irans offensichtlich nicht. Sein Auftritt beim Bundesverband der deutschen Industrie knüpfte an seine Dampfplauderei nach dem G-7 Gipfel an: Man wird doch wohl noch sagen dürfen…
Diese Haltung ist in rechten bis rechtsextremen Kreisen weit verbreitet, aber der Bundeskanzler hat immer noch nicht begriffen, dass er auf das Grundgesetz vereidigt wurde, das ihn in besonderer Weise zum Frieden und zum Erhalt des Frieden verpflichtet. Aufgrund unserer Vergangenheit, den Überfällen auf Frankreich, Polen, Russland und viele andere Länder. Ja, und es gibt auch ein besonderes Verhältnis zu Israel, das aus unserer Geschichte erwächst und Solidarität erfordert. Aber keine blinde Solidarität für eine rechtsextreme Regierung Israels und auch nicht zur Zustimmung, wenn diese Regierung gegen das Völkerrecht verstößt.
So geht Solidarität mit Israel nicht
Beim BDI wurde nach seinem Statement gefragt, und ob er denn die Phrase “erledigen die Drecksarbeit für uns” so wiederholen würde. Schon holte er gegen die Einwände der Völkerrechtswidrigkeit aus: “Iran sei DAS Terroregime der Welt – es habe erneut gegen die Verabredungen aus dem Atomwaffensperrvertrag verstoßen und nun vor ein paar Tagen das angereicherte Uran irgendwohin verbracht – die Indikatoren deuteten seit Wochen, Monaten und Jahren daraufhin, dass der Iran die Bombe wolle – niemand brauche für Atomreaktoren höher als 60% angereichertes Uran – Iran sei ein Regime, das uns alle bedroht – um das zu beurteilen, dazu genüge reines Zeitungswissen…” (!!!)...”weshalb er nicht den Angriff Israels und der USA kritisiere”, sondern der “auch in unserem Interesse richtig ist.”
Deutschland hat ein Interesse an der UNO und am Recht
George W. Bush hat sich vor Beginn des Irakkrieges wenigstens noch die Mühe gegeben, den UN-Sicherheitsrat davon zu überzeugen, dass Saddam Hussein biologische und chemische Waffen besitze. “Sorry, I’m not convinced”- der historische Ausspruch des deutschen Außenministers Joschka Fischer. Wenige Jahre und fast 5.000 tote und über 22.000 verletzte US-Soldaten sowie hunderttausende tote Iraker später stellte sich heraus, dass Verteidigungsminister Powell der UNO gefälschte Beweise vorgelegt hatte. Und heute reicht zur Beurteilung des Irans “Zeitungswissen” aus? Womöglich noch der “Bild”-Zeitung? Wenn ein deutscher Bundeskanzler nach solchen Kategorien Regierungsentscheidungen trifft, wird er zum Sicherheitsrisiko.
Unzulässige Vereinfachungen
Er versteht nicht, dass er als Bundeskanzler nicht mehr schwallen kann, wie ein Blackrock-Berater beim Grillen mit Nachbarn in Paderborn. Dass er ganz beiläufig das Völkerrecht mit zweierlei Maß misst und damit den Konflikt in seiner Komplexität und den möglichen Folgen für die Zukunft offensichtlich gar nicht begreift, muss ernste Sorge bereiten. Denn das Völkerrecht schützt die Schwächeren und die Bundesrepublik und auch die EU gehören militärisch weltweit auch zu den Schwächeren. Friedrich Merz verbrämt das alles mit einer “jetzt sag ich mal endlich die Wahrheit” Mentalität, dass er endlich ausspricht was so viele “normale” denken und das ist unappetitlich. Merz’ Erinnerungsvermögen scheint zudem nicht weit zu reichen – zu Trumps erster Amtszeit.
Trumps Kündigung des Atomabkommens mit Iran ursächlich
Es war Donald Trump, der 2017 aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen ist und die Folge war, dass die Atomkontrolleure eben nicht mehr den selben Einfluss behielten und dieselbe Transparenz fordern konnten, die erforderlich ist, um zu kontrollieren, ob der Iran eine Atombombe baut. Kim Jong Un und Nordkorea sind das beste Beispiel, was passiert, wenn man “Schurkenstaaten” aus den Verträgen lässt – sie besorgen sich die Bombe irgendwie illegal. Insofern hat Trump selbst die heutige Situation eines Iran, der außer Kontrolle zu geraten droht, mit zu verantworten.
Trumps Faustrecht verteidigt
Letztlich hat Merz mit seinen Äußerungen Deutschland und der EU nicht genützt, sondern geschadet. Wie will er nach diesen Äußerungen noch begründen, dass Deutschland und die EU die Rolle eines Vermittlers im Konflikt spielen könnten, wenn er sich derartig wie ein diplomatischer Elefant im Porzellanladen einseitig aus dem Fenster hängt? Dies ohne Not, denn weder bei Netanjahu, noch Trump kann Merz so Punkte gewinnen. Dagegen im Nahen Osten schon. Merz und Wadephul sind auf dem besten Wege, den – man muss schon sagen trotz Annalena Baerbock – noch guten Namen der Deutschen bei den Palästinensern und arabischen Staaten endgültig zu verspielen. Was Trump von den Verhandlungskompetenzen der EU hält, hat er Samstag nacht mit 14 Bomben gezeigt.
Regierung Merz ohne außenpolitisches Konzept
Die Regierung Merz schafft es, die Vorgängerregierung noch an außenpolitischer Konzeptionslosigkeit um Längen zu unterbieten. Bei aller Kritik an der “feministischen Außenpolitik” Baerbocks hat sie doch wenigstens ein erkennbares Konzept verfolgt. Was die CDU/CSU, die erstmalig seit Adenauer und Kiesinger wieder allein die Außenpolitik bestimmt, eigentlich will, ist nicht erkennbar.
Deutschland könnte in Palästina vermitteln
Anstatt Trump und Netanjahu Beifall zu klatschen und diplomatische Bemühungen in Sachen Iran zu vergeigen, könnte sich Deutschland zum Beispiel für eine Lösung für die Palästinenser und die Wiedereröffnung einer Chance für die 2-Staaten-Lösung und mehr Humanität in Gaza stark machen. Niemand als Deutschland ist (noch) auf beiden Seiten so angesehen wie die Bundesrepublik. Es hätte Gewicht, wenn der Bundeskanzler nach Israel und zu den Palästinensern reiste, um in diplomatischen Gesprächen mit Israel zu versuchen, die illegale jüdische Siedlungspolitik im Westjordanland in den internationalen Fokus zu rücken damit diplomatisch Druck auf die Rechtsextremen in der israelischen Regierung auszuüben. Anstatt Netanjahu völkerrechtswidrig in Deutschland zu empfangen und dem Zugriff des internationalen Gerichtshofs zu entziehen. Solche Gespräche könnten helfen, demokratische Kräfte in Palästina zu identifizieren, die z.B. mit Hilfe von den in Israel tätigen Stiftungen in den Bemühungen um demokratische Entwicklung unterstützt werden könnten. Aber das ist für Merz zu klein. Er möchte lieber “mit den großen Hunden pissen gehen” – die ihn dafür aber nicht brauchen.
Nachtrag 24.6. 1:48 Uhr MEZ: Donald Trump hat auf seinem asozialen Netzwerk eine Waffenruhe mit dem Iran verkündet, an die sich auch Netanjahu halten soll. Der “große Hund” ist ohne Merz pissen gegangen.
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