Julian Assange, der Gründer des “Wikileaks”-Netzwerkes hätte eigentlich den Friedensnobelpreis verdient. Dank seiner Initiative, seinem Internetportal, wurden geheim gehaltene Kriegsverbrechen der US-Armee und der russischen Korruption publik und allein die Tatsache, dass die USA den internationalen Gerichtshof in Den Haag nicht anerkennen, hat bisher verhindert, dass die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen im Nahen Osten vor Gericht gestellt worden sind. Obwohl etwa Russland die Veröffentlichungen über Korruption im Land als “Material des britischen Geheimdienstes” diffamiert, wird Assange nicht geschützt.
Stattdessen drehte die US-Regierung den Spieß einfach um: Assange als Gründer der Plattform, auf der die Wahrheit ans Licht gebracht wird, ein klassischer Whistleblower, wird von der US-Regierung mit Strafverfahren überzogen und die britische Justiz wie die britische Regierung scheinen sich auf die Seite des Unrechts, der antidemokratischen Willkür zu schlagen. Über die genauen Umstände haben wir hier wiederholt berichtet.
Dass Assange sieben Jahre lang nur isoliert in der ecuadorianischen Botschaft – unter Preisgabe seiner Gesundheit – überleben konnte, seit jetzt rund drei Jahren für sein Eintreten für Bürgerrechte und gegen Kriegsverbrechen nun in Isolationshaft ähnlich wie ein Terrorist gehalten wird, ist eine Schande für die älteste Demokratie Europas, die zum Himmel schreit. Dass kürzlich das höchste britische Gericht geurteilt hat, dass Assange den USA ausgeliefert werden soll, wo ihm eine 175-jährige (!) Freiheitsstrafe droht, widerspricht allen Regeln des internationalen Strafrechts, der Menschenrechte und sowieso den Menschenrechtsstandards des Europarats und der EU. Großbritannien verhält sich in Sachen Assange nicht anders als Russland, das den Europarat noch verhöhnt hat, bevor es ausgetreten ist.
Wo bleiben Recht und Gesetz in einer westlichen Demokratie?
Wo bleibt die Solidarität mit einem Bürgerrechtler, der ungerechtfertigt und gegen jedes internationale Recht von den USA verfolgt wird, weil er geholfen hat, unangenehme Wahrheiten über die Untaten der US-Armee ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen? Wo bleiben die westlichen Werte der Rechtsstaatlichkeit, Gebundenheit der Regierungen an Recht und Gesetz und internationale Normen, wenn derartige Machenschaften und Rechtsbrüche hingenommen werden? Wo bleibt die Stimme der EU, die dem gerade erst ausgetretenen Vereinigten Königreich seine rechtsstaatswidrige Position vorhält? Wo bleiben die Proteste der EU und der Bundesregierung, die sich gegenüber dem Diktator Putin wohlfeil für den Dissidenten Alexei Nawalny einsetzt, aber gegen die drohende Auslieferung und Deportation Assanges in die USA keinerlei Initiative ergreift?
Warum schweigt Annalena Baerbock zum Fall Assange?
Gestern war Stella Assange, seine Frau und Anwältin in Köln und hat den Wallraff-Preis für ihn entgegen genommen. Keine offizielle Vertreter*in der Bundesregierung war anwesend. Auch kein Statement. Derweil sitzt Assange im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, von dem der UN-Folterexperte Nils Meltzer sagt, Assange sei psychologisch gefoltert worden. Stella Assange fürchtet, dass im Falle seiner Auslieferung ihr gesundheitlich angeschlagener Mann im Gefängnissystem der USA schlicht zugrunde gehen wird. “Eine Auslieferung bringt ihn um” sagt sie in aller Klarheit und fragt sich, wieso Außenministerin Annalena Baerbock nach ihrem Amtsantritt kein Wort mehr über das schreiende Unrecht verliert, das ihrem Mann angetan wird.
Pressefreiheit und der Schutz von Whistleblowern stehen auf dem Spiel
Bis Ende Juni muss die britische Innenministerin über die Auslieferung Assanges entscheiden. In der britischen Regierung sind die Meinungen darüber gespalten. Die Bundesregierung könnte eine gewichtige Rolle spielen, um Druck auf die britische Regierung im Interesse der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit auszuüben. Würde Assange an die USA ausgeliefert, würde das einen essentiellen Schlag gegen die Pressefreiheit und gegen den Schutz von Whistleblowern bedeuten, von dem sich die USA und Großbritannien, was ihre Glaubwürdigkeit für die Demokratie anbelangt, so schnell nicht mehr erholen könnten. Dass Donald Trump so eine Entscheidung treffen könnte, würde niemanden verwundern. Joe Biden dagegen, aber auch Boris Johnson haben noch einen Ruf als Demokraten im Westen zu verlieren.
Die taz-Karikatur von Burkhard Fritsche, Gladbach-Fan wie ich, ist heute gut. Ich finde keinen Link – im Politik- und im Gesellschaftsressort in der rechten Spalte auffindbar. Nur heute.
Wenn ich aushelfen darf:
https://mastodon.social/@tazgetroete/108332776168012213