von Rainer Bohnet
Das politische Ende von Martin Schulz, zuvor Bürgermeister von Würselen, Präsident des EU-Parlaments, SPD-Vorsitzender und Kanzlerkandidat, markiert einen beispiellosen Niedergang. Zwischen einem Wahlergebnis zum SPD-Vorsitzenden mit sagenhaften 100 Prozent und seinem Verzicht auf das Amt des Außenministers in einer möglichen GroKo liegt nur ein Jahr. Allein diese kurze Zeit dokumentiert eine Fehlerquote, die die SPD und Martin Schulz an den Abgrund treibt, der in aktuellen Umfragen bei 17 Prozent liegt.
Schulz hatte innerhalb der SPD keine Hausmacht. Viele ärgerten sich darüber, dass ein Mensch mit gebrochener Biografie wie eine Rakete aufstieg. Die verlorenen Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen blieben ohne jegliche Aufarbeitung. Und das Desaster bei der Bundestagswahl, das Monate vorher absehbar war, sorgte für eine geistige Verwirrung in der SPD-Spitze, die nicht nur Martin Schulz, sondern den kompletten Vorstand erfasste. Schulz’ folgerichtiges Statement am Abend des 24. September 2017, die SPD ginge die Opposition, war richtig. Seine Entscheidung, als SPD-Chef nicht zurückzutreten, war hingegen falsch. Denn als Kanzlerkandidat musste er die politische Gesamtverantwortung übernehmen. Das hätten allerdings auch viele andere Spitzenkräfte der SPD machen müssen, denn sie trugen im Gegensatz zu Martin Schulz auch Verantwortung für die Politik der abgewählten Großen Koalition. Aber diese Leute sitzen heute immer noch geschäftsführend in ihren Ministerien und hoffen darauf, weiterhin ein Ministergehalt zu beziehen.
Die politischen Fehler, keine Visionen, ein schwacher Auftritt beim Kanzlerduell, der Zerfall von Rückhalt und Respekt, die Unterbindung jeglicher Diskussionskultur im Vorstand und der bedingungslose Machthunger von Andrea Nahles beschleunigten das Ende von Martin Schulz. Das ist geradezu tragisch, vor allem menschlich. Aber in der Politik ist Menschlichkeit ein wenig praktiziertes Attribut. Denn dort gilt nur der Machterhalt und -ausbau.
Vielleicht das letzte Aufbäumen einer sterbenden Partei? Wäre das die Folge, könnten wir die Verantwortlichen dafür namentlich benennen und zur Verantwortung ziehen. Und deshalb bin ich strikt dagegen, dass sich diese Zeitgenossen in eine erneute Große Koalition retten wollen. Es ist nämlich politisch und moralisch viel zu kurz gesprungen, wenn nur Martin Schulz alle Konsequenzen alleine und einsam trägt.
Es ist ein beispielloser Vorgang, an dessen Ende eine zerstörte, verstörte und hilflose SPD steht.
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