Migration und Sicherheit: Haben unsere Politiker eine Leseschwäche? – Nach der Debatte zum „Sicherheitspaket“ der Ampel, empfiehlt unser Autor Politikern Sprachkurse.

Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt zur Pisa-Studie von 2018, ungefähr ein Fünftel der 15-Jährigen sei „kaum in der Lage, den Sinn von Texten zu erfassen und zu reflektieren“. Nach meiner Beobachtung trifft diese Aussage bedauerlicherweise schon länger auch auf die meisten Regierungspolitiker der Bundesrepublik Deutschland zu. Als Beispiel hier ein einfacher Text – der Amtseid, wie er vom Bundespräsidenten, Bundeskanzler und von den Bundesministern geleistet wird:

„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

Seit den verabscheuungswürdigen Attentaten in Mannheim und Solingen diskutieren unsere Politiker über ein Sicherheitspaket für unser Land. Dabei wird so getan, als wäre lediglich die Migration eine Gefahr für die Sicherheit in Deutschland.

Während der Diskussion über das Sicherheitspaket scheinen Politiker keine Sekunde über die 155 Frauen nachzudenken, die 2023 laut BKA durch ihre (Ex-)Partner getötet wurden: Geld zur Unterstützung gefährdeter Frauen oder gar Frauenhäuser ist nicht ausreichend da. Der hohe Rückstau bei der Sanierung von Brücken ist ebenfalls kein Thema. Allein diese beiden Fälle zeigen, dass es wohl Mühe bereitet, zu verstehen, was es heißt, „Schaden abzuwenden“.

Um der AfD Stimmen abzujagen, führen unsere Bundespolitiker heute Diskussionen, die den Wählern signalisieren sollen: Ihr braucht die AfD nicht zu wählen, wir können deren Politik besser. Frau Weidel hat das erkannt: „Im Wahlkampf schreibt die CDU von der AfD ab“ sagte sie im Bundestag. Als es in Hoyerswerda (1991), Rostock-Lichtenhagen (1992), Mölln (1992), Solingen (1993) Mordanschläge auf Menschen mit Migrationshintergrund gab, haben unsere Politiker recht gelassen reagiert und, statt sich vor die betroffenen Menschen zu stellen, das Asylrecht verschärft. Auch die NSU-Morde führten nicht zum Schutz der Gefährdeten durch unsere Politiker, sondern zur Diskussion über ‚Döner-Morde‘; bei den Morden in Hanau (2020) war es nur geringfügig besser. „Gerechtigkeit gegen jedermann“ sieht anders aus.

Ich erlaube mir deshalb, deutschen Regierungspolitikern und einem erheblichen Teil der Opposition, die hofft, irgendwann an der Regierung beteiligt zu werden, die Teilnahme an einem B2-Sprachkurs für Migranten zu empfehlen. Im Falle eines erfolgreichen Abschlusses wird es ihnen möglich sein, auch so einfache Texte wie den Amtseid aus dem Grundgesetz zu erfassen, zu reflektieren und danach zu handeln; so wahr ihnen Gott helfe.

Guntram Wille, geboren 1949, war von 1967 bis 1978 Seemann, Diplomnautiker Kapitänspatent AG und anschließend Gewerkschaftssekretär bei ÖTV später ver.di. Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz (CC BY-NC-ND 4.0). Er darf für nichtkommerzielle Zwecke unter Nennung des Autors und der Berliner Zeitung und unter Ausschluss jeglicher Bearbeitung von der Allgemeinheit frei weiterverwendet werden.

Über Guntram Wille / Berliner Zeitung:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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