Zwei Parteitage finden an diesem Wochenende statt, die nicht gegensätzlicher zeigen könnten, wie man mit der Flüchtlingskrise und der globalen terroristischen Bedrohung umgehen kann. Da traf sich zum einen im reichen München eine CSU, auf deren Parteitag sich satte, wirtschaftlich erfolgreiche und gutsituierte Bürger, Unternehmer und Menschen, denen der Wohlstand offensichtlich aus Anzugknöpfen und Blusenkragen hervorquillt – und die sich trotzdem im Rhytmus ihrer populistischen Vorprediger rhetorisch in jammervollen Ängsten über die Grenzen der Aufnahmefähigkeit Deutschlands suhlten.
Die das Mißtrauen gegenüber Flüchtlingen in den Mittelpunkt ihrer Reden stellten, zwar nicht beziffern konnten, wo die angeblichen “Grenzen der Aufnahmefähigkeit” Deutschlands sind, aber deren Führer Seehofer und andere meinten, gerade deshalb diese immer und immer wieder beschwören zu müssen. Wer hierher käme, müsse Bekenntnisse abliefern, müsse fragen, was erlaubt sei und was nicht. Wer hörte, wie hier über “den Islam” geredet wurde, der konnte blanke Ängste – vor allem vermutlich vor dem Unbekannten – heraushören. Welch eine Versammlung von Hasenherzen, die da über Abschottung und Obergrenzen für Flüchtlinge – die Ärmsten der Armen – beschließen musste! Und dies im reichsten Land der EU, in der Nation, die sich Exportweltmeister schimpft und die der drittgrößte Waffenlieferant dieser Welt ist. Geht’s noch? In einer Stimmung der Einigelung und der Abschottung musste anschließend die Bundeskanzlerin um ihre Position kämpfen, was sie mutig und unbeirrbar tat. Sie allein war es, die der ideenlosen, selbstgerechten und abschottungstrunkenen Stimmung des CSU-Parteitages ihre Vorstellungen für ein humanes Deutschland entgegen zu setzen wagte und sagte den CSU-Charakterzwergen, dass es keine “Obergrenze” für Flüchtlinge geben kann. Dafür gebührt ihr nachhaltiger Dank!
Grüne ganz anders
Da trafen sich gleichzeitig in Halle oppositionelle, aber gleichwohl kämpferische Grüne unter dem Motto “Mut im Bauch” und ihr Vorsitzender Cem Ödzemir brachte es fertig, die ganzen Ängste, Sorgen und Zaghaftigkeiten angesichts der realen Probleme nicht wegzureden, sondern in einer brillianten Rede für unsere gemeinsamen Europäischen und humanen Werte der Aufklärung einen intellektuellen Großangriff gegen islamische Terroristen und rechtsextremistische Kleingeister von Pegida gleichzeitig zu führen.
Özdemir attackierte in bisher von keinem Politiker gewagter Klarheit reformunwillige Muslime und forderte ein eindeutiges Bekenntnis zur freien Gesellschaft. Unter tosendem Beifall rief der türkischstämmige Grünen-Chef, der selbst aus einer muslimischen Familiekommt: “Kein heiliges Buch steht über den Menschenrechten, über der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland.” und es müsse selbstverständlich sein, die Worte des Propheten zeitgemäß auszulegen, ohne um sein Leben fürchten zu müssen. Er könne es nicht mehr hören, wenn Islamvertreter ritualisiert erklärten, Gewalt, Geiselnahmen und Anschläge hätten nichts mit dem Islam zu tun, sagt Özdemir.
Zwar sei es falsch, Terror mit einer ganzen Religion gleichzusetzen. Es müsse aber möglich sein, seine Religion ganzanders zu interpretieren als Imame und Muftis. Die Werte der Aufklärung stünden nicht zur Disposition. Christen, Muslime, Juden und Atheisten müssten gemeinsam gegen Fanatismus zusammenstehen – ganz gleich ob aus dem islamistischen Lager oder von Rechtsradikalen. Mit seiner umjubelten Rede setzte Cem Özdemir ein Zeichen der kämperischen, der wehrhaften und der mit Inhalten von Emanzipation, demoratischer Streitkultur und Geschlechtergleichheit angefüllten demokratischen Kultur, die im Angesicht von Terrorangst in Europa und Flüchtlingskrise in Deutschland eine Sternstunde erlebt. Dass er damit die Grünen ein Stück von alten Pfaden scheinbarer politischer Korrektheit wegführte – hin zu einer schärferen Konfrontation mit Muslimen, die demokratische Werte vernachlässigen, ablehnen oder gar bekämpfen, ist verdienstvoll und macht Hoffnung, dass die Grüne Partei sich entgegen vieler Kritiker stärker auf die Werte des politischen Liberalismus hin bewegen wird, der von der FDP seit nahezu zwei Jahrzehnten nicht mehr vertreten wird.
Mut und Zuversicht ohne religiöse Eiferer
“Wir befinden uns nicht im Krieg” – mit dieser wichtigen Positionsbestimmung setzte Simone Peter, die Sprecherin der Grünen, ihre Partei von mancher martialischer Rhetorik dieser Tage ab. Selten waren die Gegensätze – hie Mut und Zuversicht, Klarheit über die Verfassungswerte, Selbstbewusstsein und Entschlossenheit zum Dialog mit anderen sowie die Sicherheit der besseren Argumente – dort Verunsicherung, Zaghaftigkeit, Polemik im Über-andere-reden, Abschotten und Isolieren sowie Ratlosigkeit angesichts der Flüchtlinge und das Heilsuchen in Verboten, Grenzen, Gängelungen und rigorosen Abschiebungen am Beispiel dieser zwei Parteien deutlicher zu sehen. Diese beiden Pole repräsentieren wirklich momentan die Befindlicheit unserer Gesellschaft Während die einen sich einigeln und Grenzen ziehen wollen, um wenn nicht bewältigen, doch beiseite schieben und verdrängen, was sie nicht akzeptieren wollen, suchen die anderen Wege, die Realität anzunehmen, Menschlichkeit zu pratizieren und die Errungenschaften unserer Verfassung zu leben und damit anderen vorzuleben und zu vermitteln. Es muss gar nicht gefragt werden, wer erfolgreicher sein wird. Es liegt auf der Hand. Und weder Allah, noch Gott, noch Jahweh werden dafür gebraucht, sondern Menschen, die im Diesseits leben und handeln. Im Sinne der Menschlichkeit.
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