1. Die Initiatoren des Bürgerentscheides zum Kurfürstenbad haben ihr Ziel knapp verfehlt, in Bad Godesberg jedoch die Stimmungslage getroffen. Die Stimmungslage in Bad Godesberg war ein wichtiger Antriebsfaktor für die Motivation der Initiatoren des Bürgerentscheides: Sie wollten die Geschicke der Entwicklung Bad Godesberg nicht mehr alleine der Politik überlassen. Axel Bergfeld, Inhaber des Bioladens in der alten Bahnhofstr. und einer der Initiatoren hat dies mehrfach erklärt und zuletzt auch in seiner Videobotschaft am Samstag den 22.04. Die politischen Akteure Bad Godesberg sollten den Ball aufgreifen und ihre Vorstellungen zur Weiterentwicklung aktiv kommunizieren und dürfen diesbezügliche Gesprächsangebote der Initiative nicht ausschlagen.
2. Gespräche bedeuten nicht, die Entscheidung noch einmal in Frage zu stellen. Der Bürgerentscheid eröffnet die Chance endlich das Bäderkonzept zu realisieren. Dass dieses realisiert wird und das Hallenbad in Dottendorf schnellstmöglich und zu vertretbaren Kosten gebaut wird, ist nunmehr ein Gebot der Glaubwürdigkeit all jener, die sich für ein „NEIN“ eingesetzt haben. Deswegen kann man sich auch nicht, wie es die SPD und ihre Fraktionsvorsitzende tut, hinstellen und behaupten man habe nicht über das neue Schwimmbad abgestimmt, sondern nur über die Nicht-Sanierung des Kurfürstenbades. Das stimmt jedoch nur den Buchstaben nach und steht auch im Widerspruch zur Contra-Argumentation, die die SPD selbst in der Auseinandersetzung gewählt hat.
3. In Bad Godesberg gab es keine knappe Entscheidung, hier war das Ergebnis klar. Fast 70% der annähernd 50% Abstimmungsberechtigten in Bad Godesberg, die sich an der Entscheidung beteiligten, haben für den Erhalt des Kurfürstenbades gestimmt.
4. Die Godesberger haben aus einer Gemengelage von Motiven abgestimmt. Nicht, weil sie ihr Hallenbad so lieben (sie hätten es sonst intensiver genutzt), sondern auch als Ausdruck einer Stimmungslage der Bad Godesberger, die sich seit Jahrzehnten als Verlierer sehen: als Verlierer der Gemeindereform 1969, die die Eigenständigkeit beschnitt, dann als Verlierer des Umzugsbeschlusses, der 1999 vollzogen wurde und der ebenfalls seit dieser Zeit Negativfolgen einer sozial ungesteuerten Globalisierung und lokalen Standortkonkurrenz, die sich in Bad Godesberg im Medizintourismus und im Strukturwandel im Einzelhandel ausdrücken (Abwanderung und gleichzeitig Ausbau des Berkumer EH). Hinzu kommen dann mehr oder weniger missglückte Versuche der städtebaulichen Erneuerung des Zentrums seit den 70er Jahren (Bahnhofstr., Altstadtzentrum, Moltkeplatz und Koblenzer Str,). Die offen fremdenfeindlichen Aktivitäten und damit einhergehenden persönlichen Angriffe auf die Bezirksbürgermeisterin bei gleichzeitig nicht zu leugnenden Problemen mit dem Salafismus und gewaltbereiten Jugendlichen tragen ebenfalls zur Stimmungslage bei. Versuche der Gegensteuerung werden als solche gar nicht mehr wahrgenommen oder als „Gesundbeterei“ diffamiert.
5. Bad Godesberg braucht einen Neuanfang und die Bürgerinitiative hat hierzu einen verdienstvollen Startschuss gegeben.
6. In der Bürgerinitiative ist in Potential sichtbar geworden , das dazu führen kann, Bad Godesberg aus der „Verliererzone“ zu bringen und einen Neuanfang zu wagen. Deswegen sollte man auch auf das Gesprächsangebot der Initiative eingehen und es nicht so arrogant wie Georg Fenninger, Geschäftsführer der CDU-Fraktion, abtun. Gerade weil es um weit mehr als um ein Hallenbad geht.
7. Nach meiner Auffassung sollten sich die Vorstellungen für einen Neuanfang von der Hauptfunktion Bad Godesbergs im Stadtgefüge von Bonn ableiten. Ich sehe diese darin, dass sich Bad Godesberg als weltoffener, attraktiver und grüner Wohnstandort für Familien, Zuwanderer und älterer Menschen definiert; Medizintourismus und Einzelhandel sind abgeleitete Funktionen dieser Hauptfunktion.
8. Weitere konkrete Elemente sind:
• Für ein vitales Zentrum mit mehr Orten für nicht-kommerzialisierte Begegnung
• Zeitlich begrenzte Suche – maximal 2 Jahre – nach einem Investor für die kurfürstliche Zeile und die Vermarktung der zum Verkauf stehenden Grundstücke und Liegenschaften. Wenn diese zu keinem Ergebnis führt : Bereitstellung von Haushaltsmitteln für einen Abriss des Kurfürstenbades und des ebenfalls in der Reihe liegenden alten schadstoffbelasteten Verwaltungsgebäudes und Umwandlung der freiwerdenden Fläche – ggf. auch nur als Zwischennutzung – zur Parkerweiterung für den Redoutenpark. Auf jeden Fall Vermeidung eines länger dauernden Leerstandes.
• Sanierung des Rathauses und Weiterentwicklung zu einem Verwaltungsstandort und Bürgerdienstzentrum u.a. für städtische Unternehmen wie z.B. SWB oder VEBOWAG, ggfs. durch Grundstückstausch
• Schnellstmögliche Sanierung der Stadthalle und neue Funktionsbestimmungen als Ort öffentlichen Debatte – Kooperationen anregen, damit sich Parteien und Bürgerinitiativen in Bad Godesberg treffen können
• Godesberg die Gartenstadt: Urban Gardening und naturnahe Umgestaltung von Grünanlagen in den Gartenstadtquartieren von Bad Godesberg; Zusammenarbeit mit dem Ökozentrum am Ännchenplatz suchen
• speziell für das Zentrum: den Stadt- und Redoutenpark nach Sanierung der Stadthalle zu einem Ort der Bürger entwickeln. Bürgergärten, Wiederaufleben von Musik im Park während der Sommermonate und verstärkte Zusammenarbeit mit dem Musiknetzwerk und der Musikschule
• Einen konstruktiven Dialog mit Stadtmarketing beginnen, die Innenstadt wieder zu einem stärker entkommerzialisierten Begegnungsort machen, Stühle statt Bänke auf den Theaterplatz bringen.
• Bildung und Kultur weiter stärken: Verein Leselust, Verein für Heimatpflege, Kunstverein und ABK, Club La Redoute als ausbaufähige Stärken
• Generationendialog stützen: Stadtmarketing, Generationennetzwerk unterstützen und „Ausbilden statt Abschieben (ASA)“ als Akteure der Godesberger Stadtgesellschaft wahrnehmen und in Überlegungen einbeziehen
Fazit: Fraktionsvorstände und Parteien sollten auf das Gesprächsangebot der Initiative eingehen, Terminvorschläge unterbreiten und in den nächsten Monaten in Bezirksvertretung und Rat Initiativen entfalten, die Bad Godesberg nach vorne bringen.
Karin Robinet
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