Christian Geyer meint heute in der FAZ auf politische Zusammenhänge in Bezug auf die “heimgeholte Landshut”-Verkehrsmaschine hinweisen zu müssen. Es entbehrt nicht einer gewissen Merkwürdigkeit, mit hohen Kosten ein Wrack über den Atlantik zu transportieren, um damit hierzulande Geschichtspolitik zu machen. Wie so oft, springt das FAZ-Feuilleton aber auch in diesem Thema viel zu kurz. Meine steile These: die heutigen Verheerungen Somalias (und seiner Nachbarländer) haben hier ihren Anfang genommen. Danke RAF!
Zu jener Zeit war die globale Politik wohlgeordnet in Wir und die Anderen. Wir war der “freie Westen”. Die Anderen der “Kommunismus”. In der ersten Hälfte der 70er war es bereits der Nixon-Administration und ihrem deutschstämmigen Aussenminister Kissinger gelungen, den Vietnamkrieg zwar als verloren zu beenden, den Weltkommunismus aber in eine maoistisch-chinesische und eine sowjetisch geführte Fraktion zu spalten.
Das machte sich die Bundesregierung Schmidt/Genscher zunutze. Als die RAF-Terroristen mit der entführten Maschine irgendwo hinmussten, wollte sie natürlich keiner haben. Sie liessen sich in das angeblich zur Sowjetfraktion gehörende Somalia locken. Somalia war aber bereits in Konflikt mit dem ebenfalls zur Sowjetfraktion übergelaufenen Äthiopien geraten. Dort hatten sie den Feudalkaiser und Reggae-Gott Haile Selassie vertrieben und alle Hände voll zu tun, den Sozialismus aufzubauen. Die Gelegenheit wollte der angeblich sozialistische Somalia-Beherrscher Barre nutzen, seinem Staat, im Widerspruch zur Charta der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), die um des Friedens Willens eine Anerkennung aller Staatsgrenzen forderte, die Provinz Ogaden einzuverleiben.
Dieser Konflikt hat sich bis heute nicht beruhigt und immer wieder für humanitäre Katastrophen gesorgt. Die Regierung Schmidt/Genscher erkannte aber nur die Gelegenheit, Somalia aus dem Sowjetblock herauszukaufen. Der Westen war schon immer kaufkräftiger als der Kommunismus. Barre konnte das Geld gut gebrauchen. Genützt hat es ihm aber auch nicht mehr lange. Immerhin verdanke ich dieser Episode afrikanischer Geschichte eine meiner heute besten Freundinnen. Sie kam als Tochter eines somalischen Regierungsangestellten und einer DDR-Mama auf die Welt. Den Vater durfte sie nie kennenlernen, er kam beim Sturz Barres ums Leben. Schwarzes Mädchen einer alleinerziehenden Mutter in der DDR, sie konnte die AfD früher als andere kommen sehen.
Ein anderer wichtiger Mann meines Politiklebens bekam viel mit der Somalia-Katastrophe zu tun. Mohamed Sahnoun war Ende der 70er Jahre Botschafter Algeriens in Bonn. Als wir mit der Anti-Apartheid-Bewegung 1978 den von deutschen Medien komplett verschwiegenen “Kongress gegen die militärisch-atomare Zusammenarbeit BRD-Südafrika” im Schulzentrum Pennenfeld in Bonn organisierten, trank ich mit ihm nicht nur den ersten Sherry meines Lebens (schmeckte gut). Mein ältester WG-Mitbewohner machte seiner Pressesprecherin ausgiebig den Hof. Sahnoun besorgte uns Fördergelder der OAU und der UNO, ohne die wir die Veranstaltung nicht hätten organisieren können.
In den 90ern versuchte er zwischen den kriegführenden Clans Somalias zu vermitteln. Bitter musste er feststellen, dass der freie Westen wenig Interesse hatte ihn dabei zu unterstützen. Es gab ein Interesse am “failed state” Somalia, dem seitdem ja noch einige gefolgt sind. Im Jemen wird sowas derzeit gerade herbeigebombt. Fluchtursachen schaffen, nicht ohne deutschen Waffen.
Sahnoun scheint auch als algerischer Präsidentschaftskandidat im Gespräch gewesen zu sein. Wenn man sich dort die heutige Lage anschaut, wäre das mit hoher Wahrscheinlichkeit besser gewesen. Geschenkt. Auch er hat schwerwiegende Fehler und Verbrechen der algerischen Elite nicht verhindert.
Der Mann lebt noch, er hätte uns noch viel mitzuteilen. Doch wer will aus der Geschichte lernen?
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