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Noch 23 Punkte – Bundesligakrise?

Borussia Mönchengladbach gab am 10. Bundesligaspieltag die erste Vorstellung von zwei guten Halbzeiten hintereinander. Mit nur einem guten Spiel den 6. Tabellenplatz zu erobern, sagt, da die Tabelle nicht lügt, einiges aus. Hätten wir gegen Bayermonsanto den auf dem Papier vorgesehenen Heimsieg eingefahren, wären wir jetzt punktgleich mit dem Tabellenzweiten BVB. Und hätten wir uns beim Gastspiel im Westfalenstadion nicht so blamiert, gegen einen, wie jetzt alle wissen, schlagbaren Gegner, dann wären wir punktgleich mit dem Tabellenführer aus dem süddeutschen Raum.

Dass gestern zwei Spieler der zuletzt heftig kritisierten Abwehr 2 der 3 Tore machten, dass sie beim Spielstand von 1:1 im gegnerischen Strafraum abstaubten, bei einem Auswärtsspiel gegen den – bis dahin – Tabellenvierten mit seinem jugendlichen, und was Wurfdisziplinen betrifft, noch sehr sportlichen Wundertrainer, sagt erfreulich viel über Selbstvertrauen und Spielstärke der Mannschaft – mit dem Rätsel, warum das nicht regelmässig sichtbar wird. Auch dass Thorgan Hazard mit seinem ersten Feldtor (nach 2 Elfmetern) der Saison die Spitze der mannschaftsinternen Torjägerliste eroberte, die er sich mit Lars Stindl teilt, ist kein Grund zur Kritik. Auf je mehr Spieler sich die Torerfolge verteilen, umso schwerer ist die Mannschaft für Gegner ausrechenbar. Leider ist sie das bisher auch für ihre Fans. Ziel muss bleiben: 40 Punkte, und dann gucken wir, wie weit wir sind; fehlen also noch 23.

Wenn also eine solche Mannschaft einen Europa-League-Platz erobert, was sagt das dann über die Bundesliga? Meine Prophezeiung einer vom BVB beherrschten Langeweile hat sich erledigt. Es ist schlimmer: es wird wieder so, wie jedes Jahr. Die sportliche Tabelle nähert sich immer mehr der Geldtabelle an. Gladbach steht im Vergleich etwas “zu hoch”, der 1. FC Köln und der HSV (letzterer “wie immer”) “zu tief”. Wenn der FC da nicht rauskommt, und – sie spielen heute noch – Werder versagt (Halbzeitstand 0:2), und der SC Freiburg mal keine Sensationsrückrunde schafft, dann wäre nicht nur oben, sondern auch unten schon alles Wichtige verteilt. Und das nach weniger als einem Drittel der Saison.

Die Branche ist mehr beunruhigt wegen des bisher schlechten Abschneidens in den europäischen Wettbewerben Champions- und Europa-League. Bundestrainer Löw hat sich dazu gestern im inaktuellen (nie vor 23 h) ZDF-Sportstudio sehr diplomatisch ausgedrückt. Er muss ja mit allen zusammenarbeiten und darf sich mit keinem Ärger einhandeln. Entsprechend souverän hat er auch die Bayerntrainerfrage an sich abperlen lassen. Von seiner Art öffentlich zu sprechen stellt der Mann die meisten Politiker*innen in den Schatten.

Absolut Recht hat er mit der Feststellung, die die meisten Fußballmedien hierzulande meistens vergessen, dass in anderen Ländern auf der Welt auch sehr gut Fußball gespielt wird. Dass die meisten Talente irgendwann des Geldes wegen nach Europa gehen, wird nicht so bleiben. Die Fußballrentner gehen derzeit meistens zum Reichwerden in die USA oder einen der arabischen Feudalstaaten. Mit denen wird sich China bald nicht mehr zufriedengeben. Viele Spieler fürchten noch die Sprach- und Kulturschranke. Aber wenn selbst Lukas Podolski japanische Buchstaben und Speisekarten lesen gelernt hat, warum sollen das andere Jungmillionäre in China fürchten?

Das sind die Geldströme, die jetzt schon fliessen. Auf Ebene der WM im nächsten Jahr, sollte sie denn trotz politischer Störversuche in Russland stattfinden, bleibt China in einem für seine autoritäre Führung schwer erträglichen Rückstand. Spanien und Brasilien sind wieder erstarkt, Belgien ist stark geblieben, Frankreich ebenfalls, England, Portugal und sowieso Gastgeber Russland weisen aktuell starke sportliche Rückstände auf. Länder wie Kolumbien und das Sensationsteam Island (seine Frauen haben soeben die DFB-Ladys 3:2 geschlagen, und zwar hier, auswärts!) haben in den letzten Jahren in der Fußballausbildung stark aufgeholt. Afrikanische Teams wie Ghana, Cote d’Ivoire, Ägypten sind zwar spielerisch schon lange konkurrenzfähig, ihr katastrophales Management wird aber noch lange Turniersiege unmöglich machen. Abzuwarten bleibt, wie weit der erstarkte Iran kommt, aber für eine Favoritenrolle reichts noch nicht. “Auf dem Papier” wäre Deutschland also wieder klarer Favorit. Aber diese Selbstbesoffenheit wird es für Löw, da übertreibt er nicht, “besonders schwer” machen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

2 Kommentare

  1. Roland Appel

    Es ist ja schon tragisch: Da hat der 1.FC Köln den Wiederaufstieg, dann gutes Mittelfeld und 2017 die Europaleague erreicht, indem er auf solide, bescheidene Finanzen, bodenständige Spieler und einen nervenstarken Träner setzte. Keine Indiskretionen aus der Kabine und keine Alkoholfahrten von Spielern. Ohne Messias Daum und ohne Papst Podolski. Und dann streift Manager Schmadtke und Torjäger Modeste der Mantel des großen Geldes, Modeste, der es am Ende gar nicht gewesen sein will, wird für sagenhafte 40 Mio. € nach China verkauft – und der FC stürzt in Bodenlose. Nun heisst es, der Deal sei nur eine Ausleihe gewesen. Mir scheint das wirklich symbolisch zu sein, nachdem der ganz Fußball im A… ist, sobald die fette Kohle ins Spiel kommt. Ich glaube, Kreisligaspiele können ganz schön spannend sein. Irgandwo gibt es eine Initiative, die im Internet zu übertragen. Oder mal hingehen -wäre doch ne Alternative!

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