Gestern wies ich in meinem ZDF-Text bereits auf den Dengler-Krimi von Montag hin, der von Annette Ramelsberger in der SZ in ähnlicher Weise angegriffen wurde, wie zuvor der RAF-Tatort von Dominik Graf Attacken von Springers Angestelltem Stefan Aust hinnehmen musste. Ramelsberger ist diejenige, die in einer SZ-internen Kontroverse dafür eintritt, dass der Münchener NSU-Prozess “endlich enden” müsse.
Gestern habe ich mir den Film angesehen. Nicht so dicht inszeniert, wie von Graf, aber, und das scheint den Ärger hervorzurufen, informativ für alle, die nur mal wissen wollen, was genau hinter dieser ganzen NSU-Geschichte steckt, und das quält die Kritker*innen des Films besonders: zur “besten Sendezeit” (20.15 h), wenn wirklich viele Unwissende vor der Glotze sitzen. Der Film und sein Drehbuch beantworten vernünftigerweise nicht alle der vielen offenen Fragen. Denn klar ist nur: die offizielle Version von Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt ist nicht die Antwort.
Das wenigstens haben bereits mehrere parlamentarische Untersuchungsausschüsse ans Licht gebracht. Und die Furcht ist begründet, hervorgerufen durch die pathologische Lügen- und Vertuschungssucht unserer sogenannten “Sicherheits”behörden, dass alles viel schlimmer ist.

Susanne Gärtner, Telepolis-Autorin, die sich dabei auf langjährige Recherchen ihres Kollegen Thomas Moser stützt, fasste gestern umfangreich zusammen, welche Spuren alle nicht verfolgt wurden. Gärtner insinuiert ein teils strategisch bewusstes, teils fahrlässiges Zusammenspiel von Neonazis, V-Leuten der Geheimdienste und organisierter Kriminalität, inkl. Waffenhandel und organisiertem sexuellen Missbrauch von Kindern, also eine Ansammlung des Niedrigsten, wozu Menschen fähig zu sein scheinen. Und sie beschreibt, wie geradezu planmässig versucht wurde, Sachverhalte vor uns, der Öffentlichkeit, zu verbergen, die wir jetzt alle nicht kennen. Das, was auf diese Weise in wachen Teilöffentlichkeiten quasi gesetzmässig “Verschwörungstheorien” hervorrufen muss, ist mit das Schlimmste, was Polizei, Geheimdienste und Staatsanwaltschaften unserer Demokratie an Schaden zufügen können. Ob sie um “das Ansehen von Deutschland in der Welt” fürchten? Das wäre noch die freundlichst-mögliche Unterstellung. Tatsächlich machen sie es so viel schlimmer.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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