Wie abgeschnitten vom Rest der Welt unsere Öffentlichkeit gehalten wird, wie borniert und arm hiesige Medien arbeiten, das war am gestrigen Champions-League-Abend zu studieren. Was würden wir von der Welt mitkriegen, wenn wir unsere Einwanderer*innen nicht hätten?
Nachdem in der Vorwoche das vorgezogene Oligarchen-Finale der CL (jeweils Hinspiele) zwischen Real und PSG absolvierte wurde, trafen gestern Abend die zwei profiliertesten globalen Fußballschulen aufeinander: Barca gastierte bei Abramowitschs Chelsea, trainiert vom Chefdozenten des modernen Catenaccio Antonio Conte.
Deutsche Medien hatten offensichtlich weder Zeit noch Geld, Berichterstatter*innen dorthin zu entsenden. In Bonn rettete uns Pepe in Dottendorf, wo Barca-Spiele zuverlässig von spanischen TV-Sendern empfangen und geguckt werden können.
Danial Montazeri lieferte gestern in einem Sp-on-Vorbericht eine exzellente Analyse des aktuellen Barca-Fußballs nach dem Abgang von Neymar. Sie wurde im Spiel selbst voll bestätigt.
Es gibt allerdings noch ein paar wichtige strategische Vorgänge hinter dem öffentlichen Spielgeschehen.
Chelsea hat nun schon eine jahrzehntlange Besitzerkontinuität unter dem russischen Oligarchen und bisher vollständig putinbraven Abramowitsch – Personifizierung des freien Kapitalverkehrs über Länder- und Blockgrenzen hinweg. Abramowitsch ist so putinbrav, dass er sich von dem sogar einen extrem lästigen kapital- und grüssaugustzeitaufwändigen Gouverneursposten in Sibirien anhängen liess. Dafür darf er sich aber auch ungehemmt bereichern und seinen Reichtum in der teuersten Stadt der Welt London verleben. Wie bei anderen Oligarchen dient ihm der Fußballverein als Zentrale seines asozialen Netzwerks.
Barca wiederum scheint seine Katar-Beziehungen nach dem Neymar-Transfer zu reduzieren. Es hat zwar finanziell davon profitiert, aber strategisch erkannt, dass in Katar Paris Investitionsvorrang geniesst. Das kann den katalanischen Oligarchen weder sportlich noch ökonomisch gefallen. Trikotsponsor Quatar-Airways wurde nach München trasferiert. An solventen Bewerbern hat Barca keinen Mangel. Überzeugender waren allerdings die lange werbefreien Trikots der Vergangenheit, wie Odeon-Bistro Betreiber Maika eins trägt, oder die mit der Unicef-Werbung.
Zum Spiel selbst, von dem das ZDF nur wenige Minuten zeigte. 1. Halbzeit 75% Ballbesitz der Gastmannschaft aus Barcelona. Das ist die Defensivphilosophie Barcas: solange wir den Ball haben, kann der Gegner kein Tor schiessen. Chelsea wiederum verteidigte mit zwei Fünfer-Reihen, die sich so eng beieinander bewegten, dass es für Messi und Freunde kein Durchkommen gab. Wenn Messi, der sich fleissig freilief, den Ball erhielt, waren mindestens 3, in Strafraumnähe aber bis zu 10 Gegenspieler bei ihm, die verhindern mussten, dass sein Abspiel Mitspieler erreichte. Das gelang nur einmal wirklich gar nicht.
Für die Klasse Chelseas sprach, dass sie öfter als Barca zu – seltenen – Torchancen kamen. Willian traf in der 1. Halbzeit zweimal den Pfosten, so dass sein 1:0 im 2. Durchgang ein gerechter Lohn für ihn und seine disziplinierte Mannschaft war. Sein Schuss war für Ter Stegen unhaltbar – zuviele Spieler verstellten ihm den Blick auf den Ball, der zudem optimal fürs rechte untere Eck, also die grösstmögliche Distanz für den Torwart, platziert war.
Ein einziger Fehler der – nur nahezu – perfekt verschiebenden Chelsea-Defensive genügte auf der anderen Seite Iniesta und Messi für den “tödlichen” Spielzug zum Ausgleich.
Durch die geringe Fehlerzahl war diese Partie weit weniger spektakulär als Real-PSG in der Vorwoche. In der Perfektion der Strategie beider Mannschaften machte es aber gleichzeitig den Leistungsunterschied deutlich, der sich in Spaniens La Liga zwischen Barca und Real manifestiert. Die Geschenke, die PSG Real zum 1:3 machte (ein Foulgeschenk zum Elfmeter, ein Knietor Ronaldos, das ihm PSG-Keeper Areola auflegte), hatte Chelsea nicht im Angebot. Der 1:1-Ausgleich war Ausdruck der Weltklasse, für die Barcas Ü-30-Stars zu Recht verehrt werden.
Letzte Kommentare