Andrea Nahles habe ich einst an einem Pfingstwochenende persönlich kennengelernt, in einem privaten Rahmen, der kaum angenehmer denkbar war, bei einem Mittagsmenü im Vieux Sinzig, bei ihr zuhause um die Ecke. Es wurde auch, aber nicht nur, am Tisch politisiert. Die schöne Zeit wurde in erster Linie gemeinsam genossen.
Mit diesen Voraussetzungen verfolgte ich heute ihre Bewerbungsrede um den SPD-Parteivorsitz auf Phönix. Ich muss für mich persönlich einfügen, dass mein Verhältnis zu Nahles’ Partei von lebenslanger Hassliebe geprägt ist. Die SPD hat in der Tat historische Verdienste in der BRD, die uns unser, also sowohl Nahles’ als auch mein Leben, ermöglicht hat. Die Ruhrgebiets-SPD, die ich erlebte in dem Alter, in dem Nahles ihren Orstverein in der Eifel gründete, war – und ist – aber so gestrig und abschreckend, auch zu ihren “besten” Zeiten in den 70ern, dass ich nie in Versuchung war, mich diesem Laden anzuschliessen.
Die Andrea Nahles, die ich einst in Sinzig kennenlernte, war die Gleiche, die heute gesprochen hat. Sie hat sich hoffentlich entwickelt wie wir alle, aber sie ist keine Andere. Sie ist so echt, wie ich in der politischen Klasse ansonsten nur Claudia Roth kenne. Wenn die SPD das wäre, was Nahles heute am Redepult darstellte, ich wäre mitgerissen worden.
Nachdem ich zunächst beunruhigt darauf wartete und fürchtete, dass es geschlabbert wird, weil es angeblich “keine Wahlen entscheidet”, hat Nahles auch zur Aussen- und Entspannungspoltik in bester SPD-Tradition eine saubere, engagierte und seriöse Position bezogen.
Warum hat sie mich dennoch nicht gepackt? Es waren die Zwischenschnitte des Senders ins Parteitagspublikum. Hier war die real existierende SPD der Gegenwart in ihrer ganzen Wahrheit zu sehen. Ich will nicht lästern, wie die Leute aussahen, das wäre zu billig, war auch nicht weiter kritisierbar. Es ware ihre Sprache: Körpersprache und Mienenspiel. In der ersten Reihe auch noch all die Männer, die Nahles im Machtkampf ausgetanzt hat, all die Verantwortlichen für die langen Fehlerketten, die die SPD unter 20% geführt haben – auch unsere ehemalige Bonner OB Dieckmann gut zu sehen.
Ich wünsche Andrea viel Glück und auch Erfolg. Gerne arbeite ich mit solchen Genossinnen zusammen, und verbringe auch gerne Freizeit in angenehmem Rahmen mit ihnen. Aber mein Verein wird es in diesem Leben nicht mehr.
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