Ich liebe ja PHOENIX, den Nachrichtensender von ARD und ZDF, den der Programmchef Michael Hirz mal auf einer Veranstaltung als “kleines mittelständisches Unternehmen des Journalismus” vorstellte, das mit wenig Mitteln und kaum fünfzig Mitarbeiter*innen Qualitätsjournalismus ohne Ende sendet. Eine der besten Beiträge zum Verständnis des Wahldespoten Trump hat Phoenix gestern gesendet. Die Dokumentation “Mensch Trump!” von Philipp Müller und Ines Tram zeigt, wie nahe sich geistig der Despot Trump und der Despot Kim stehen.

Im Verlauf einer US-Kabinettssitzung, berichtet von einem entsetzten Gast, in der eingeleitet durch eine sklavisch unterwürfige Rede von Vizepräsident Mike Pence an Trump in der Folge alle Kabinettsmitglieder in devoter, selbstverleugnender und jeglichen demokratischen Gepflogenheiten widersprechenden Weise sich gegenseitig vorstellen und nicht aufhören, sich in Huldigungen zu übertreffen, welches außergewöhnliches Privileg und welche unvergleichliche Ehre und einmalige Gnade ihres Lebens es für sie sei, im Kabinett des Präsidenten Trump dienen zu dürfen.  Es verschlägt jedem vernünftigen Menschen den Atem, welch Geistes Kinder hier ihrem Gönner huldigen. Dieses Zerrbild von Demokratur kann nur noch von der Horrorvorstellung übertroffen werden, welchen persönlichen Reichtum und welche wirtschaftlichen Interessen diese Speichellecker im Kabinett, das mehrere Milliarden schwer sein soll, repräsentieren.

“Herr der Welt” – ein Wahldiktator

Diese Dokumentation wirft ein erschreckendes Licht auf einen gefühlten “Herrn der Welt”, dem jegliches Denken in demokratischen Abstimmungsprozessen, Verhandlungen auf Augenhöhe oder die Einhaltung diplomatischer Regeln abgeht. Eines “Wahldiktators”, der die eigenen, persönlichen Interessen über internationales Recht stellt und deshalb auch in den Gesprächen mit Massenmörder Kim Jong Un wichtige Verhandlungspunkte, wie die Manöver mit Südkorea, fahrlässig als Druckmittel ohnen Gegenleistung preisgegeben hat. Es ist ein Abgrund von Despotenkumpanei, der sich in diesem Licht auftut, wenn sich Trump so, wie in Singapur, über UN-Resolutionen oder Forderungen der internatinalen Gemeinschaft an Korea hinwegsetzt, weil er keinen Buchstaben, geschweige denn eine Zeile, vom filigranen diplomatischen Geflecht der Sicherheitsgarantien und Kontrollmechanismen der internationalen Gemeinschaft und der UNO gelesen oder gar verstanden hat.

Der in seinem persönlichen Bereich nicht nur ein korruptes Regime aufgebaut hat, das bewirkt, dass mit jedem Staatsgast, der im “Weißen Haus” zu Gast ist, auch die Kasse der privaten Hotels von Trump klingelt. Der bis heute seine Steuererklärung zu veröffentlichen verweigert, sich privat bereichert und schamlos in der Art eines weissen Stammesführers den Staatsapparat der Vereinigten Staaten zur Beute seines Familienclans gemacht hat. Tochter Melania, Schwiegersohn Kushner und andere Komplizen aus der Familie hat der Immobilienpate Trump in einem Ausmaß in öffentliche Ämter gehievt, sie mit Kompetenzen und Berechtigungen bis zu “Geheim” und “Streng Geheim” ausgestattet, die ihresgleichen in der Gechichte der Vereinigten Staaten sucht.

Tribale Strukturen: Staat als Instrument zur Beutejagd

Als John F. Kennedy 1961 seinen langjährigen politischen Weggefährten und Senator Robert Kennedy zum Justizminister ernannte, skandalisierten die Republikaner dies monatelang, obwohl Bob Kennedy zweifellos ein brillianter eigener Kopf, Jurist und Stratege der demokratischen Partei war. Ohne ihn wäre die Kuba-Krise veilleicht in einen 3. Weltkrieg eskaliert. Dagegen sind die in öffentliche Ämter und Büros im Weißen Haus beförderten Familienmitglieder Trumps nichts anderes als Geschäftemacher, die sich den Staat als Instrument zur Beutejagd gefügig machen und ein Höchstmaß an privatem Gewinn aus der Nutzung ihrer Machtstellung erzielen sollen.

Das Weiße Haus Trumps gleicht genau der Form von Korruption, die als tribale Strukturen, die in manchen afrikanischen Gesellschaften nach der Unabhängigkeit in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts einzogen und teilweise dort immer noch die Politik dominieren. Mit dem Unterschied, dass dort gewählte Herrscher auf die Stammes- oder Familieklanchefs ihrer Verwandten zurückgreifen mussten, wenn sie nicht riskieren wollten, ihr Gesicht oder in manchen Fallen auch ihr Leben zu verlieren. Trump verstößt selbst gegen alle Regeln und Gesetze der “Compliance”, die die US-Börsenaufsicht bei Unternehmen streng verfolgt.

Bei aller schaurig-abstoßender Faszination, die der diplomatische Mummenschanz, den Trump in Singapur mit Kim aufgeführt hat, bietet, gewinnt doch seine Strategie immer mehr an Boden. Sie bestehr darin, durch Verleumdung, Realitätsverzerrung, brutale, persönliche Machtspielchen und aggressive Diffamierung politischer Verbündeter wie vor allem Kanada und Deutschland, die Machtkoordinaten innerhalb der westlichen Welt zu verschieben und gewachsene Beziehungen zu sprengen. Vor allem innenpolitisch muss erschrecken, dass es ihm zunehmend gelingt, mit seinen Strategien zur Veränderung von demokratischer Öffentlichkeit durchzudringen. Es dauert inzwischen Tage, bis wir Europäer und auch unsere Regierungen begreifen, dass der Ausgang des G7-Gipfels, das Schmierentheater von Singapur und die Äußerungen des US-Botschafters in Deutschland untrennbare Bestandteile einer Gesamtstrategie Trumps zur Aushöhlung der demokratischen Systeme des Westens sind.

Es geht Trump um die Zerrüttung der unabhängigen Berichterstattung, das Ersetzen von Pressefreiheit durch Massenmanipulation. Und es geht ihm darum, demokratische Wahlen gleichberechtigt konkurrierender Parteien zu ersetzen durch ideologische Schlachten um Wahrheit und Unwahrheit. Von freien Wahlen um demokratische Alternativen zu aggessiven Schlachten zwischen Gefolgschaften, Gläubigen und Günstlingen einerseits gegen Nichtgefolgschaft, die er als  unamerikanisch und feindlich gesinnt diffamiert. Breitbart, Fox-News, der Klu-Klux-Klan und die US-Neonaziszene sind dabei seine Instrumente in den USA. Le Pen, Gauland, die Lega Nord, Orban und PIS in Polen sowie andere Oligarchen sind seine politischen Verbündeten in Europa.

“Checks and balances” scheint zum ersten Mal zu versagen

Wer das am vergangenen Wochenende nicht erkannt hat und daraus keine Konsquenzen zieht, wird sich bald über die ernsthafte Gefährdung des politischen Systems, wie wir es kennen, Gedanken machen müssen. Die FBI-Ermittlungen gegen Trump stagnieren; und die Demokraten haben es bisher vermieden, eine ernsthafte Alternative zu Trump aufzubauen. Anders als bei Nixon und Clinton scheinen die Ermittlungen der Opposition ins Leere zu laufen, das System von “checks and balances” scheint zum ersten Mal in der US-Geschichte zu versagen. Die Zeiten in USA stehen schlecht für die Demokratie. Wir müssen alles tun, dass in Europa ähnliches verhindert wird. Trump ist kein offener Rassist und Faschist, aber er bedient sich ihrer Methoden. Er ist viel gefährlicher, denn er wird immer noch unterschätzt.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net