Die niedersächsisch-sozialdemokratischen Ex-Funktionäre führen dieser Tage eine Interviewoffensive bei ihren Lieblingsmedien und Buddys von “Spiegel” und “Stern”. Da die Interviews nicht online gestellt werden, sind wir auf die Pressezusammenfassungen des Geredeten angewiesen.
Zu Schröder können wir es einfach bewerten: da ist nichts Falsches bei, das ist der pure politische Realismus, den wir in der aktuellen deutschen Politik so sehr vermissen. Verbunden mit den Äusserungen seines Ziehsohns Gabriel und dem, was gestern schon bei Illner schwadroniert wurde, läuft es aber auf etwas Anderes hinaus.
Um so einem wie Trump widerstehen zu können, müssen “wir”, d.h. diejenigen, die in Berlin das Politikgeschäft betreiben, und von uns nichts mehr mitbekommen, militärisch so stark aufrüsten, dass “wir” den “Schutz” der USA nicht mehr benötigen – eine programmatische Grundlage für zukünftige Grosse Koalitionen (mit welchen Parteien auch immer), die von der Rüstungsindustrie gewiss reich belohnt würde. Die “Friedensdividende” von der Auflösung militärischer Blöcke in den 90ern – es blieb dann „gottlob“ bei der Auflösung des Einen – würde so endlich erfolgreich wieder in die gute alte Konzerndividende zurückverwandelt.
Ulrich Horn beschreibt heute, wie sich die CDU/CSU gerade nach dem Vorbild der SPD selbst zerlegt. Daraus ergibt sich, dass der aktuelle Diskurs zu deutscher Aufrüstung eine programmatische Grundlage für das schaffen soll, was an demokratischen Parteien noch übrig bleibt.
Was wäre die Alternative? Sicher nicht die Auflösung kollektiver poilitischer Strukturen, die Trump derzeit alle, eine nach der andern, zu zertrümmern versucht. Sicher: weder EU noch Nato noch WTO sind Selbstzweck. Um die Eskalationen nicht weiter anzuheizen und auszubreiten ist aber jede internationale Plattform, auf der noch Chancen zu Verständigung bestehen, von wachsendem Wert: um Handelskriege nicht zum neuen Weltkrieg werden zu lassen. Die Machos von gestern müssen lernen, dass die Macht von morgen nicht mehr militärisch sondern ökonomisch, techologisch und intelligent sein wird, leider nicht zwingend demokratisch – das macht China derzeit alles vor. Wenn wir China noch was entgegensetzen wollen, dann müssen wir diese Stärken mit Demokratie, Menschen- und Bürgerrechten verbinden – das wäre ein Alleinstellungsmerkmal, das global für alle Menschen attraktiv wäre.
Wenn wir dagegen erst überall Trump-Typen in der Regierung haben, könnten wir uns daran belustigen, dass die sich gegenseitig die Köpfe einschlagen, und es keinen Falschen trifft. Sie sind aber nicht unsere Kasperle-Figuren – sondern wir sind ihre. (Für die Jüngeren: ersetze Kasperle durch Computerspiel.)

Update 14.7.: Falls Sie glauben, ich übertreibe, oder die Überschrift sei polemisch, versuchen Sie es doch mal mit der unverdächtigen Quelle FAZ – sie sieht ihre Aufgabe darin, das Kapital ordentlich zu informieren.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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