Auf einen Besuch meiner Fußballkneipe werde ich heute Abend verzichten. In der Champions League treten heute nur die deutschen Plastikvereine an. Als Alternative empfehle ich diesen vom WDR koproduzierten ARTE-Film zum “Predictive Policing” – das meint zu deutsch: die Polizei weiss vor Dir selbst, dass Du kriminell werden willst. Feuchte Träume von Xi Jinping, Recep T. Erdogan u.a. werden wahr, hier bei uns.
Die Zerstörung des Fußballs durch das Milliardengeschäft mit der Glotze schreitet derweil von oben nach immer weiter unten fort. Der BVB feiert heute die Vertragsverlängerung mit dem 18-jährigen Jadon Sancho. Der hat sich den Wechsel von ManCity nach Dortmund auf die gleiche Weise erkämpft, wie der in Dortmund beschimpfte Ousmane Dembele seinen von Dortmund nach Barcelona. Die 18-jährigen machen das nicht selbst – es sind Beraterkonzernseilschaften und ihre Eltern, denen vor lauter Euros die klare Sicht auf normales menschliches Alltagsleben verloren gegangen ist. Menschlich ist das Supertalent Sancho also zu bedauern – versauert doch seine Jugend zwischen Westfalenstadion und Phönixsee.
In der Zweiten Liga zerlegt sich Dynamo Dresden selbst. Und die Berliner taz macht sich über diesen “ostdeutschen Provinzialismus” lustig. Tatsache ist, dass dem Fußball seine reichen sozialen Eigenschaften durch die Dynamik, die die Millionen des Medienkapitalismus in ihn hineintreiben, geraubt werden. Das fängt oben in der Champions League an und sickert immer weiter nach unten. Es ist in der Vierten Liga schon lange angekommen, in der u.a. der Bonner SC um seine Existenz kämpft, und wo es gestern in Wuppertal Fanwiderstand gab, für den den Vereinsmeiern dort “jedes Verständnis fehlt”. Und jeder weiss: auch in der Kreisklasse ist es längst angekommen.
Es gibt einen Grundwiderspruch zwischen (potenziell demokratischem) Vereins- und Konzernleben. Der zerbröselt unseren Lieblingssport. Schade eigentlich.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net