Habe ich den deutschen Spitzenfussball gedanklich zu früh abgehakt? Was heute aus dem Westfalenstadion zu sehen war, ist ungefähr schon ziemlich genau, was wir sehen wollen. Dazu kam dann noch das in München. Borussia Mönchengladbach als aktuell führender BVB-Verfolger, konnte bei seinem heutigen Aufbaugegner zwei Rückkehrer aus der Verletzungs-Reha testen: sowohl Stindl als auch Traore können wieder laufen, und vergrössern das qualitativ opulente Aufgebot, das Manager Eberl und Trainer Hecking zusammengestellt und aufgebaut haben.
Beim Gegner, dem Fußballkonzern aus dem süddeutschen Raum, kulminieren die Probleme parallel zur CSU. Wenn man jetzt so drüber nachdenkt, ist es gar nicht so überraschend, wie wir es noch vor einigen Wochen gesehen haben. Die Konzernführung hat ähnliche Generationswechselprobleme, wie die CSU; die Machtkämpfe der Häuptlinge könnten auf einem zweigeteilten Bildschirm parallel abgespielt werden. Das ist ein spezifischer Männercharakter, der in unserer #metoo-Zeit seinen Untergang ahnt, die Jungs sind ja nicht komplett doof, sich aber mangels alternativer intellektueller Ausrüstung mit Händen und Füssen gegen den Wandel wehrt (so entsteht und mobilisiert ja auch die AfD), und damit die Ballung und Anhäufung der Probleme noch vergrössert.
Wenige kluge Köpfe haben das schon durchschaut. Wir müssen nur studieren, wer aus der Fußballbranche trotz üppig dotierter Angebote alles verzichtet hat, nach München zu wechseln, bzw. dort zu bleiben. Die Herren Lahm und Eberl gehören sicherlich zu den aktuell klügsten Köpfen der Branche. Manche interessante Spieler, die sich intellektuell und strategisch schon auf professionellem Niveau bewegen, könnten diese Weltsicht jetzt auch entwickeln. Für die Herren Hoeness, Rummennigge und ihre teilweise kriminellen Spiessgesellen im Aufsichtsrat, könnten sie damit – bei allen unbegrenzt gefüllten Festgeldkonten, die sich ja auch rumgesprochen haben – immer teurer und teurer werden; es muss zusätzlich Schmerzensgeld kalkuliert werden.
Im heutigen Aufgebot des süddeutschen Konzerns entdecke ich nur einen Spieler aus der eigenen Vereinsausbildung: der bekannt defensivschwache Kimmich. Hier rächt sich, wenn mann jederzeit und jedes Jahr Geld verstreuen und Gegnern die besten Leute wegkaufen kann. Was denkt wohl der Herr Hummels? Hat er sich – ausser finanziell – irgendwie verbessert? Ist der BVB durch seinen Weggang sogar erstarkt? Ein Nomenklatura-Mann weniger kann den Teamgeist wirkungsvoll mobilisieren. Wie Favre die Machtbalance zwischen noch brauchbaren Alten und drängenden Jungen austariert, ist grosse Fußballlehrerkunst. Beim BVB ist jeder Spieler, der heute die 90 Minuten durchspielte über 10 km gelaufen. Bei der Gladbacher Borussia gab es dagegen eine “Hierarchie”: Kramer und Hofmann als Erfahrenere, defensive Mittelfeldspieler mit zahlreichen Aufgaben vor der Abwehrreihe rannten über 13 km, und haben die Bayern damit offensichtlich entnervt. Bei denen lief mit Kimmich (sic!) nur einer über 11 km. Zwei Drittel Ballbesitz und null Tore. Kein Messi kein Suarez – dann nützt auch der ganze Ballbesitz nichts.
Augsburg hat heute angedeutet, wie der BVB verwundbar ist. Allerdings mit einer Foul-Überlegenheit von 22:4. Wollen wir das sehen? Einen langweiligen Durchmarsch jedenfalls auch nicht.
Jemand müsste dafür sorgen, Mitarbeiter der Boulevardpresse vom linken Niederrhein fernzuhalten. Dort müssen sie sich jetzt darum kümmern, einen Durchmarsch des BVB aufzuhalten.
Erlebnisse wie heute können für ein Team psychologische Schlüsselerlebnisse sein. Fähigkeiten wurden geweckt, die manche Spieler vielleicht erst heute auf diesem Niveau an sich entdeckt hatten. Wir brauchen noch 26 Punkte, und dann … doch, das kann spannend werden.
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